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Nasenduscher: Roman (German Edition)

Nasenduscher: Roman (German Edition)

Titel: Nasenduscher: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Boltz
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häuslich niedergelassen. Dazu zieren juckende Quaddeln in Form von Weihnachtsschmuck meinen Körper. Sie wandern von der Brust über den Bauch bis hinunter zu den Innenschenkeln und somit erschreckend nah an meine Schneeglöckchen heran. Bei ihrem Marsch über meinen Körper glänzen die Quaddeln dabei wie ein Sechserpack Christbaumkugeln. Und als ob das noch nicht genug wäre, gibt meine Lunge bei jedem Atemzug auch noch ächzende Töne wie bei einem qualvollen Erstickungstod von sich. Schwerfällig und mit dem stampfenden Stakkatorhythmus einer usbekischen Eisenbahn schaufelt sie sich nur äußerst mühsam Kleinstmengen von Sauerstoff in die Lungenflügel.
    Mein Blick wandert zum Radiowecker, der neben dem Becher mit den Zahnbürsten steht.
    04:03 Uhr! Du lieber Himmel!
    Ich stehe nackt im Bad, scanne weiter meinen Körper im Spiegel, kratze an meinem Christbaumschmuck im Takt von »Jingle Bells« und überlege mir, wie die Inschrift meines Grabsteins wohl lauten wird.
    »Hier ruht Robert Süßemilch, er war eigentlich immer ein ganz gesunder Kerl, bis ihm die Lepra spekulatiusgroß aus der Nase schoss und ihn dahinraffte. Plötzlich und unerwartet nahmen wir Abschied von ihm, er wurde nur siebenunddreißig Jahre alt. Aber wir werden immer an ihn denken … besonders an Weihnachten.«
    Doch nicht nur die Quaddeln bereiten mir ernsthafte Sorgen. Durch die mangelnde Sauerstoffzufuhr finde ich vor allen Dingen kaum noch Schlaf. Und wenn ich doch mal entschlummere, klingt das dann wohl ziemlich grauenhaft. Meine Freundin Jana hat mich zumindest vor gut zehn Minuten unsanft geweckt, indem sie mir einen Ellenbogen in die Seite rammte. Ich würde schnarchen, meinte sie.
    Ha! Wen wundert’s?
    Meine Nase ist ja auch so dicht, dass jeder Rohrreiniger noch etwas bei mir lernen könnte. Schon vor Tagen begann es damit, dass sich alles immer mehr zusetzte. Erst nur an den Schleimhäuten, dann hinunter bis zum Kehlkopf, bis ich schließlich nur noch durch den Mund atmen konnte. Ich schaue erneut mein trauriges Spiegelbild an und erkenne mich kaum wieder. Beide Augen schimmern rot wie zwei Boskopäpfel. Ich wirke wie ein Vampir auf trockenem Entzug.
    Kein Zweifel. Ich fühle mich genauso schlecht, wie ich aussehe. Und ich sehe wirklich grauenhaft aus!
    Aber was zur Hölle kann das sein?
    Schweinegrippe?
    Nasenneurodermitis?
    Ohne groß nachzudenken, wühle ich in Janas Hausapotheken-Sortiment und greife bei einer rot-weißen Tube beherzt zu. Den Namen der Salbe kann ich nicht mehr richtig entziffern, da sie bereits zur Hälfte aufgebraucht und sorgsam aufgerollt wurde. Die Worte »lindert Juckreiz« sind jedoch noch gut zu entziffern.
    Na bitte.
    Was will ich mehr?
    Drauf damit.
    Wahrscheinlich wird es nur eine vorübergehende Hautirritation sein. Also Salbe großzügig einmassieren, und morgen früh wird’s sicher schon besser aussehen.

TEIL 1
    Nur eine Hautirritation

1
    Der Werwolf am Frühstückstisch
    D u siehst ja furchtbar aus.«
    Jana schlägt sich schockiert beide Hände vor das Gesicht, als sie sich mir beim Frühstück gegenübersetzt. Eine überzogene Reaktion, wie ich finde.
    »Nun übertreib nicht«, antworte ich daher leicht genervt und löffle weiter von meinem Müsli.
    »Ich übertreibe nicht. Du siehst echt scheiße aus. Hast du dich mal im Spiegel angesehen?«
    Jana hat manchmal einen Drang dazu, Sachen zu dramatisieren. So wie jetzt. Sie verhält sich gerade so, als wäre sie gestern Abend mit mir ins Bett gegangen und mit einem komplett anderen Mann wieder aufgewacht. Allerdings muss ich zugeben, dass die Salbe in den restlichen Nachtstunden nicht ganz ihre volle Wirkung entfalten konnte. Um ehrlich zu sein: null Wirkung.
    »Ja, habe ich«, knurre ich, »ungefähr die halbe Nacht. Ich geh die Tage mal zum Arzt.«
    »Darf ich mal anfassen?«
    Ich zucke vor ihrer ausgestreckten Hand zurück. »Bin ich ein Hund?«
    »Nein … wobei, so sicher bin ich mir da gerade gar nicht. Haben wir vielleicht gerade Vollmond?« Jana kann sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen. »Stell dich nicht so an, komm her.«
    Sie stellt ihre Kaffeetasse ab und fährt mir mit ihren Fingerspitzen über meine verkrustete Nase. Oder besser, über den Punkt in meinem Gesicht, wo normalerweise eine Nase angewachsen sein sollte. Dazu gibt sie jaulendes Wolfsgeheul von sich.
    »Witzig, Jana, sehr witzig. Das nächste Mal mache ich auch ein paar Witzchen, wenn du wieder Unterleibsziehen und Kopfschmerzen während deiner Tage
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