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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt
Autoren: Anna Koschka
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in Gamaschen auftaucht und uns vom Garçonnière- zum Doppelhaushälftenbewohner macht. Und warum?«
    »Weil das normal ist«, sagt Rita trotzig.
    »Nein!«
    »Weil wir Kinder wollen?«, rät Katharina.
    »Nein.«
    »Weil …« Miki zupft nachdenklich an ihrem Ohrläppchen.
    »Weil Liebe Spaß macht«, kommt ihr Stella zu Hilfe.
    »
Das
ist ja wohl Ansichtssache«, sagt Christine, für die Spaß zumeist bedeutet, ein Terrarium von Reptilienkot zu befreien.
    »Eben«, stimme ich ihr zu. »Es macht auch Spaß, mit euch zum Thailänder zu gehen, ein gutes Buch zu lesen, über Angelina Jolies Unterwäsche zu lästern, barfuß durch eine feuchte Wiese zu laufen, Espresso zu trinken oder Muffins mit Nougatfüllung zu essen. Warum räumen wir der Liebe so unverhältnismäßig viel Platz ein?«
    »Das sagst du bloß, weil du Paul noch nicht verdaut hast.« Miki reicht mir ihr volles Glas Pflaumenwein. »Trink das, als Digestiv wirkt es Wunder.«
    Wie immer kann ich ihren Gesichtsausdruck bei diesen Worten nicht deuten, obwohl ich Mikage kenne, seit ich vierzehn bin. Damals kam sie frisch aus ihrem japanischen Dorf nach Europa, um Köchin zu werden, und begann, im Lokal meiner Mutter zu arbeiten. Wo sie bis heute geblieben ist. Meistens lächelt sie. Ich habe Miki nur dreimal weinen sehen: Das erste Mal, als ihr Vater anrief, um ihr mitzuteilen, dass ihre Mutter gestorben sei. Das zweite Mal, als sie ein Tablett mit teurem Porzellan fallen gelassen hatte und das dritte und bisher letzte Mal, als im Indischen Ozean fast die Welt untergegangen ist. Davon abgesehen zeigt sie stets ihr Vollmondlächeln, umgeben von sternenklarer Haut.
    »Unverdautes liegt im Magen«, erklärt sie, und nicht zum ersten Mal frage ich mich, was in Mikage Itos Vergangenheit unverdaut ist.
    »Es hat nichts mit Paul zu tun.« Die Lüge kommt mir leicht über die Lippen, schließlich bin ich mittlerweile das chronische Sodbrennen wieder los, das er mir verursacht hat, als er mir noch im Magen lag.
    »Paul war nicht der Richtige«, meint Katharina mitfühlend wie immer, und sie würde bestimmt den Sonnenschein hereinlassen, wenn es draußen nicht schon stockdunkel wäre. Ihre Büchersammlung ist streng von Hellpastell bis Dunkelpastell geordnet, und literarische Scheinwelten haben sie zur unverbesserlichen Romantikerin gemacht. Sie ist der festen Überzeugung, dass es selbst für Schneewittchens Stiefmutter ein Happy End gibt und Zwerg Brummbär ein missverstandener Liebender ist!
    »Der Richtige, das ist das Stichwort.« Kampflustig beugt sich Rita über den Tisch und fixiert mich unter langen Wimpern. »Du musst dich wieder verlieben.«
    Warum klingt das wie eine Drohung?
    »Also, pass auf!« Sie räuspert sich und blickt sich im Restaurant um. »Was hältst du von dem Dunkelhaarigen, da hinten beim Fenster? Der schaut schon die ganze Zeit zu uns herüber.«
    »Der Anzugtyp? Wahrscheinlich bewundert er deine Manolos. Er ist schwul, das sieht doch jeder.«
    »Nie im Leben.« Rita betrachtet ihn nachdenklich. Wie immer bewundere ich, wie geschmackssicher sie sich in elegantem Understatement präsentiert. Kein Tupfer Rouge zu viel auf ihrem perfekten Teint, das blaue Satinkleid sitzt wie angegossen. Und obwohl ich mich dunkel daran erinnere, wie sie in der Grundschule in rosa Hello-Kitty-Pantoffeln neben mir saß, könnte ich schwören, dass sie in High Heels zur Welt gekommen ist.
    »Und was ist mit dem am Tisch daneben?«, flüstert Katharina. Alle sechs spähen wir – selbstverständlich total unauffällig – hinüber.
    »Blondie mit der noblen Blässe und dem schwarzen Rollkragenpulli? Drei Möglichkeiten: hochbegabter Soziopath, jähzorniger Theaterregisseur oder Inkognitovampir«, sage ich und trinke genüsslich Mikis Pflaumenwein.
    »Dotti! Kannst du deine spitze Zunge nicht beherrschen? Bleib doch mal bei der Sache!« Entschlossen sieht sich Rita weiter im Thairestaurant um.
    »Ha, ich hab’s! Der da hinten in der Ecke, der die ganze Zeit auf seinem Smartphone herumtippt: Mister Gut-aussehend-intelligent-und-erfolgreich.«
    »Technikfetischist. Nimmt sein Handy vermutlich sogar mit ins Bett, besitzt ein vollständiges Set internationaler Reisestecker und einen dieser anthrazitfarbenen Businesstrolleys, in denen es für alles ein eigenes Fach gibt.«
    Meine Freundinnen starren mich mit offenen Mündern an. Ich lächle und greife nach Ritas Händen.
    »Ich meine es total ernst. Ich werde nicht mehr daten. Ich habe genug von vertrockneten
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