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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter
Autoren: Alfred Komarek
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aufgeweckt, spülte Aspirin mit Bier hinunter und griff zu seinem nächtlichen Manuskript: Grandios, in der Tat!
    Von da an kaufte er die
Pöbelpostille
Woche um Woche am Tag des Erscheinens, blätterte leichthin, doch mit bebender Hand darin und hoffte auf die nächste Ausgabe – so lange bis der Muttertag vorüber war. Er rief Mertens an, immer wieder, erreichte ihn nicht, wurde vertröstet. Endlich war es so weit. Ob er denn das Manuskript nicht erhalten habe?
    Wieder dieses Lachen. „Doch, junger Freund. Ich habe es gelesen. Atemberaubend.“
    „Wirklich?“
    „Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass man sich so unsäglich peinlich ransülzen kann. Wohl besoffen gewesen, Oberkante Unterkiefer?“ Und wieder dieses bösartige Schweigen. Doch dann: „Unfähig sind Sie aber nicht. Bleiben Sie dran. Und tschüss.“
    Von einigen Telefongesprächen abgesehen hatte Käfer mit Mertens nie persönlich Kontakt gehabt, verfolgte aber mit Interesse dessen Schwindel erregende Karriere. Dann aber gab es dieses Verfahren wegen Kokainmissbrauchs. Mertens fiel später nur noch durch mehr oder weniger originelle Skandale auf. Einmal hatte er Käfer in der Redaktion der
IQ
angerufen. „Sie sind jetzt ganz oben, junger Freund. Ich warte auf Sie. Ganz unten.“

4
    Wieder einmal hatte Käfer bis spät in die Nacht hinein gearbeitet, doch diesmal nüchtern und diszipliniert. Es war ihm klar, dass er viel zu lernen hatte. Die eingeübte Gewohnheit trieb ihn dennoch gegen acht aus dem Bett. Bruno Puntigam hingegen schien sich darauf besonnen zu haben, dass er ja eigentlich ein Langschläfer war.
    Maria Schlömmer servierte das Frühstück. „Du schaust aus wie’s Hendl unterm Schwanz.“
    „Also wie genau?“
    „Blass und znepft.“
    „Ich war fleißig.“
    „Wegen dem Herrn Puntigam?“
    „Ja. Vielleicht wird ja doch noch was aus mir, Maria.“
    Sie schaute durchs Küchenfenster. „Und dann kriegst auch so ein schwarzes Auto?“
    „Wenn ich wollte, wahrscheinlich ja. Aber ich werd nicht wollen.“
    „Was willst dann?“
    „Zeigen, was in mir steckt.“
    „Hoffentlich interessiert das wen.“ Die Bäuerin stand auf. „Was ist mit der Sabine? Kommt sie bald nach?“
    „Das wünsch ich mir sehr. Ich brauch jetzt frische Luft.“
    „Es schneit, Daniel. Hast was für den Kopf?“
    „Nein.“
    „Dann nimm den alten Hut vom Hubert.“
    „Wenn mich nur keiner sieht …“
    Käfer trat in den dichten Flockenwirbel hinaus, ging ein paar Schritte, blieb stehen und schaute zurück. Schon jetzt verwischte der frisch gefallene Schnee die Spuren seiner Schuhe. Es war windstill, nicht sehr kalt. Käfer legte den Kopf in den Nacken und spürte die Flocken auf seinem Gesicht. Dann setzte er langsam den Weg fort. Die Berge rings um den Talkessel des Ausseerlandes waren nicht zu sehen, die Landschaft vor dem Sarstein war nur zu erahnen. Die wahrnehmbare Welt war kaum größer als eine Waldlichtung und verlor sich an den Rändern ins Weiße, ein paar konturlose Schatten darin.
    Nach und nach fiel der Schnee auch auf Käfers Gedanken, nahm ihnen die Schärfe, hüllte sie ein und deckte sie zu. Er fühlte sich geborgen in dieser lautlosen, umfassenden Bewegung und Veränderung. Und dann war doch wieder Unruhe in ihm. Er ging den Weg zurück, klopfte vor der Haustür den Schnee von den Schuhen und trat ein.
    In der Küche sah er Bruno Puntigam, vor sich das Notebook. „Hallo Daniel, du fulminanter Schneemann. Was hast du dir da für eine ungeheure Arbeit angetan! Oh weh, ich sehe eine vorwurfsvolle Miene … und natürlich hast du Recht. Das freche Eindringen in dein Zimmer war impertinent und der Griff nach deinem geistigen Eigentum unverzeihlich. Aber die Neugier ist ein Luder. Ich kann dich trotzdem beruhigen, mein Lieber: Ich bin gerade erst dazu gekommen, einen flüchtigen Blick zu tun. Und für viel mehr bleibt auch nicht die Zeit. Ich muss zurück nach Hamburg, dringlicher Anruf heute Morgen.“
    Käfer nahm das Notebook an sich und schaltete es aus. „Tu das bitte nicht noch einmal, Bruno. Wer wie ich mit einem älteren Bruder aufgewachsen ist, legt Wert auf Privatsphäre.“
    „Zerknirscht bereuend zur Kenntnis genommen.“
    „Gut. Und du wirst dir jetzt ausreichend Zeit für mich nehmen – ich meine, wenn du wirklich so viel Wert auf meine Mitarbeit legst.“
    „Alle Zeit der Welt, Daniel. Ich war unhöflich. Verzeih bitte.“
    „Es ist so …, geh doch einmal vorerst davon aus, dass ich unterschreiben werde.“
    Bruno
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