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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter
Autoren: Alfred Komarek
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Frauen unterhalb der Leiter Christine und Sieglinde, und die Muse im Fenster war Fräulein Lydia.“
    „Lydia?“
    Käfer erzählte.
    „Ei der Daus! Darf ich bei Gelegenheit darum ersuchen, Mademoiselle vorgestellt zu werden? Mir klopft schon jetzt das Herz bis zum Halse!“
    „Alter Schwerenöter! Bleiben Sie gefälligst beim Thema.“
    „Gewiss. Sepp Köberl ist mit ungeheurem Fleiß an die Arbeit gegangen, und er hat einigen Aufwand dabei getrieben. Jahrelang verbrachte er jede freie Minute in Archiven, keine Erkundung, keine Reise war ihm zu mühsam. Und das alles musste von seinem Lehrergehalt finanziert werden, weil die versprochenen Entschädigungen auf sich warten ließen. – So, meine Herren, ich sehe, dass wir mit dem Gesamtaufbau beginnen können. Vermeiden Sie Sepp Köberls Fehler, Herr Mertens, und sorgen Sie für ein solides Fundament Ihrer Arbeit. Bestens! Und jetzt setzen Sie meinen Bauteil auf. Ich fühle mich nämlich etwas schwach. Nun, Herr Käfer, Sie dürfen das Wort Behauptung zur Abwechslung einmal ganz konkret verstehen.“
    Die drei traten zurück und betrachteten ihr Werk. Schiller grinste. „Ich meine, eine gewisse Ähnlichkeit mit Bruno Puntigam zu erkennen. So gesehen, scheint es mir sinnvoll zu sein, zwei Münzen für die Augen zu opfern.“ Käfer brach einen Zweig vom nahe stehenden Gestrüpp ab. „Von mir bekommt er eine hölzerne Pinocchio-Nase.“ Mertens nahm einem kleinen Anlauf. „Und von mir einen Tritt in den Arsch.“
    Schiller blickte elegisch auf den Rest des Schneemannes hinunter, bückte sich und barg die beiden Münzen. „Sic transit gloria mundi. Ach, ich war schon origineller. Wie auch immer: Nach fast acht Jahren war Köberls Arbeit endlich abgeschlossen. Als er mit Nachdruck die Abgeltung seiner Spesen und die Herstellung des Buches einforderte, wurde er mit einer neuen Finanzierungsvariante beruhigt: Es würden große Mengen von Büchern angekauft werden, so viele, dass bestimmt auch noch ein kleiner Gewinn herauskäme. Handschlag, Hand aufs Herz, große Beteuerungen. Nichts Schriftliches. Köberl publizierte seine Arbeit also im Eigenverlag und verschuldete sich bis über beide Ohren. Das Buch wurde zum Standardwerk, wie Sie wissen, man hat Köberl gelobt und geehrt, doch von den großartigen Zusagen wurde bis heute nur ein beschämend kleiner Teil eingehalten. Seit geraumer Zeit kämpft ein Ischler Anwalt gemeinsam mit Köberl gegen den Konkurs. Ich kenne den Rechtsgelehrten natürlich, weil es keinen Anwalt im Salzkammergut gibt, mit dem ich noch nichts zu tun gehabt hätte.“
    „Verstehe.“ Daniel Käfer stocherte mit der Schuhspitze in Bruno Puntigams Überresten. „Der Sepp meint wohl, dass er durch sein naives Vertrauen mitschuldig an der Misere ist, geniert sich und ist wütend. Er will das allein durchstehen. So ein Dickschädel.“
    „Natürlich war mir bekannt, Herr Käfer, dass es finanzielle Probleme gibt, doch die näheren Umstände haben mich nicht wirklich interessiert. Aber ich wäre bereit gewesen, für die Herzmanovsky-Mappe viel mehr als den Marktwert zu zahlen. Er hat wütend abgelehnt, vermutlich weil er nicht wollte, dass auch noch das Vermögen seiner Frau gefährdet ist.“
    „Und heute? Was soll heute passieren, Herr Schiller?“
    „Das ist es ja. Ich weiß es nicht so recht. Wir reden in Ischl darüber weiter. Kommen Sie, meine Herren, es ist Zeit!“

25
    Schiller blickte zufrieden um sich. „Spiegel, Schnörkel, Marmor, Gold … Es gibt keinen besseren Platz als diesen, wenn es darum geht, festlich und mit Stil den Bankrott zu feiern.“
    Käfer nippte am Mineralwasser. „Dem Sepp wird heute wohl kaum nach feinen Konditoreiwaren im Zauner zumute sein.“
    „Wir werden ja sehen. Nun zu meinem Problem. Am Montag war Köberl in Ischl, und sein Anwalt konnte ihm kaum noch Hoffnung machen. Während wir es uns gut gehen lassen, findet unweit von hier eine Gläubigerversammlung statt. Eigentlich war sie dazu bestimmt, Köberls finanzielles Todesurteil zu sprechen. Das konnte ich diskret mit der Übernahme einer Ausfallshaftung hinauszögern. Ich kann allerdings nicht verhindern, dass sich Herr Köberl durch mein Eingreifen belästigt und gedemütigt fühlt. Dr. Gabriel hat mir zugesagt, mit seinem unglückseligen Klienten nach der Besprechung hierher zu kommen. Also was tun? Um Himmels willen, da sind sie schon!“
    Henning Mertens packte Schiller am Oberarm. „Ich führe Regie. Kein Widerspruch. Prügeln können wir uns
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