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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter
Autoren: Alfred Komarek
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herrlichen Mannsbild?“
    „Er hat schon wieder Sehnsucht nach Ihnen, Fräulein Lydia.“
    „Wer will es ihm verdenken? Zur schreibenden Zunft bestand für mich seit jeher eine ganz besondere Affinität. Lydia Luzé ist in so manches Werk eingeflossen, das noch heute Gültigkeit hat. Und ich möchte meinen, dass nicht wenige literarische Frauengestalten ohne mein Zutun recht blutleer geblieben wären. Einer meiner Musensöhne wirkt und werkt übrigens heute noch immer, hoch geachtet und viel gelesen. Mon dieu, er war so jung damals, und ich an der Schwelle des Alters. Wir korrespondieren nach wie vor, und ich werde mich hüten, seinen Namen zu nennen.“

23
    „Die liebe Lydia …, manchmal glaub ich, dass die Fantasie mit ihr durchgeht. Aber der Sepp meint, dass alles wahr ist, was sie erzählt. Es gibt in Ischl ältere Herren, die sie aus ihrer aktiven Zeit kennen. Na, und die trauen ihr eigentlich jede lustvolle Schandtat zu. Für den Sepp ist sie ein faszinierendes Forschungsobjekt und eine bezaubernde Seelenfreundin.“
    Christine Köberl schaute mit schmalen Augen in die Wintersonne. „Wir haben Zeit, und du musst was essen, Daniel, wenigstens eine Suppe. Gehen wir zum Attwenger?“
    „Meinetwegen.“
    „Angenehm ist es da.“ Sie schob den leeren Teller von sich und hob ihr Glas. „Prost und auf dein Wohl, Daniel! Das gilt auch mit Mineralwasser.“
    „Danke, Christine. Und du meinst wirklich, dass ich nach Salzburg soll?“
    „Ja. Kein Wort mehr darüber.“
    „Und der Sepp? Heute ist ja Mittwoch. Wundert mich eigentlich, dass du ihn allein lässt.“
    „Und wenn er allein sein will?“ Christine Köberl stand auf und ging eilig davon.
    Käfer schaute ihr nach, grübelte und war froh, als sie nach wenigen Minuten wiederkam. „Was war denn los mit dir?“
    „Ich bin aufs Klo heulen gegangen. Wie tät denn das ausschauen, hier am Tisch.“
    „Du erzählst mir ja doch nichts, oder?“
    „Morgen ist ein anderer Tag, für alle miteinander.“
    „Ja. – Du, Christine …“
    „Sag jetzt nur keinen Blödsinn!“
    „Also, in aller Unschuld, na ja fast in aller Unschuld, mag ich dich ungeheuer gern.“
    Sie schwieg, lächelte, schwieg. Dann schnurrte ihr Handy wie eine zufriedene Katze. „Hallo, Herr Mertens? Sie sind also in Ischl, sehr gut! Wir sitzen im Weinhaus Attwenger.“
    Eustach Schiller näherte sich eilfertig. „Frau Köberl! Wie schön!“
    „Ich weiß nicht recht.“
    Henning Mertens fasste Käfer nachdenklich ins Auge. „So sehr ich den Versuch anerkenne, den Verwüstungsgrad meines Gesichtes nachzuahmen …, muss es ausgerechnet heute sein?“
    „Mein Fehler, ja. Was war in Frankfurt? Warum sind Sie zurückgekommen?“
    „Um an Ihrer Seite blitzenden Auges ins Inferno zu reiten. Mit anderen Worten: Bringen wir’s hinter uns.“
    „Und warum wir?“
    „Warum nicht? Herr Schiller meint übrigens, vielleicht auch das eine oder andere Aperçu beitragen zu können. Die See ist stürmisch und Sie brauchen Lotsen, Herr Käfer.
Links müsst Ihr steuern, hallt ein Schrei. Kieloben treibt das Schiff zu Lande und sicher fährt die Brigg vorbei
.“
    „Ich bin keine Brigg, sondern ein Wrack, und so was von versunken. Ihren Opfermut können Sie sich sparen. Sind Sie mit meinem Dienstauto gekommen?“
    „Wie denn, wenn Sie den Schlüssel haben? Frau Kremser war so freundlich, uns ihren Wagen zu leihen. Sie wartet in Aussee auf uns, stellt schon mal den Champagner kalt. Ich bin hierher gefahren und werde Sie nach Salzburg chauffieren. Sie haben jede Menge Restalkohol im Blut und einen Führerschein zu verlieren. Beides trifft auf mich nicht zu.“
    „Nüchtern, Herr Mertens?“
    „Seit einer halben Ewigkeit. Eine Erfahrung, die mich irgendwie beunruhigt. Brechen wir auf? Ich bin übrigens so einigermaßen informiert, Details erzählen Sie mir unterwegs. Herr Schiller, Sie sollen nicht schäkern. Hurtig, hurtig, die Herren!“
    Mertens lenkte das Auto erstaunlich besonnen, hörte Käfer aufmerksam zu und stellte nur wenige, aber präzise Zwischenfragen. Schiller, der auf dem Rücksitz Platz genommen hatte, schwieg die ganze Fahrt über. Eine halbe Stunde vor dem Termin waren die Männer am Ziel. Mertens parkte ein. „Wir gehen hinein und warten am Ort des Geschehens. Macht sich immer gut, wenn der Richter vor den Angeklagten tritt und nicht umgekehrt.“
    Für das Gespräch war ein ruhiger Nebenraum reserviert worden. Käfer ging nervös auf und ab, Schiller las in einem mitgebrachten
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