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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman
Autoren: dtv
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nach seinen Kleidern und begann sich in Windeseile anzuziehen. Es gelang ihm auch einigermaßen, aber nur deshalb, weil sich der Frontalangriff der Brüder Sterz gegen ihre Schwägerin richtete.
    »Du Hure!«, brüllte Morold von Sterz und riss die nackte Adele aus dem Bett. »Du abscheuliche Hure!«
    »Du sittenlose Buhle!«, fiel Wittich, sein älterer Bruder, ein. Wolfher hingegen, der älteste nach Gelfrad, brachte kein Wort hervor; bleich vor Wut, hatte es ihm die Sprache verschlagen. Mit voller Wucht schlug er Adele ins Gesicht. Die Burgunderin stieß einen lauten Schrei aus. Wolfher setzte nach, diesmal von der anderen Seite.
    »Wage es nicht, sie zu schlagen, Sterz!«, schrie Reynevan, aber seine Stimme brach und zitterte vor Schreck und lähmender Hilflosigkeit wegen seiner erst halb heraufgezogenen Hosen. »Wage es nicht, hörst du!«
    Der Schrei blieb nicht ohne Folgen, wenn diese auch nicht ganz der ursprünglichen Absicht entsprachen. Wolfher und Wittich ließen von ihrer ungetreuen Schwägerin ab und stürzten sich auf Reynevan. Ein Hagel von Schlägen und Tritten prasselte auf den Jungen nieder.
    Er duckte sich unter den Stößen, aber anstatt sich zu verteidigen oder zu schützen, zog er krampfhaft seine Hosen hoch, als wären sie keine gewöhnlichen Beinkleider, sondern eine magische Rüstung, die unverwundbar machte, der Zauberpanzer eines Astolph oder Amadis von Wales. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, dass Wittich ein Messer hervorzog.
    Adele schrie auf.
    »Lass das!«, knurrte Wolfher seinen Bruder zornig an. »Nicht hier!«
    Reynevan hatte sich inzwischen auf die Knie erhoben.
    Wittich, wutschnaubend und mit zornesbleichem Gesicht, sprang auf ihn zu und versetzte ihm einen Fausthieb, der ihn wieder zu Boden warf. Adele kreischte laut, aber der Schreibrach ab, als Morold ihr ins Gesicht schlug und sie an den Haaren zerrte.
    »Wagt es nicht . . .«, wimmerte Reynevan, ». . . sie zu schlagen, ihr Schurken!«
    »Du Hundesohn!«, brüllte Wittich. »Warte nur!«
    Er sprang wieder auf ihn zu, schlug und trat zu, einmal, ein zweites Mal. Beim dritten Schlag hielt Wolfher ihn auf.
    »Nicht hier«, sagte er ruhig, aber es war eine grausige Ruhe. »In den Hof mit ihm. Wir nehmen ihn mit nach Bernstadt. Die Hure auch.«
    »Ich bin unschuldig!«, wimmerte Adele von Sterz. »Er hat einen Zauber über mich geworfen. Er hat mich behext. Das ist ein Hexenmeister!
Le sorcier! Le diab . . .
«
    Morold schnitt ihr das Wort ab und brachte sie mit einem Hieb zum Schweigen.
    »Still, du verdammtes Luder! Du wirst schon noch genug Gelegenheit zum Schreien bekommen. Warte nur noch ein Weilchen!«
    »Wagt es nicht, sie zu schlagen!«, brüllte Reynevan.
    »Du kriegst auch Gelegenheit zum Schreien, du Hähnchen! Los, in den Hof mit ihm.«
    Der Weg vom Dachgeschoss hinab führte über eine ziemlich steile Stiege. Die Brüder von Sterz stießen Reynevan hinunter, der Junge fiel auf das Podest, nicht ohne einen Teil der hölzernen Balustrade mit sich zu reißen. Bevor er wieder auf die Füße kam, packten sie ihn erneut und warfen ihn direkt auf den Hof, in den Sand, den dampfende Pferdeäpfel zierten.
    »Na bitte, na bitte!«, sagte Niklas von Sterz, der die Pferde hielt, der jüngste der Brüder und ein rechter Grünschnabel. »Wer ist uns denn hier vor die Füße gefallen? Wenn das nicht Reinmar von Bielau ist!«
    »Der belesene Klugscheißer Bielau!«, prustete Jens von Knobelsdorf, genannt der Uhu, ein Gevatter und Verwandter der Sterz’, er beugte sich über den mühsam im Sand herumkriechenden Reynevan. »Der redegewandte Klugscheißer Bielau!«
    »Der beschissene Poet!«, versetzte Dieter Haxt, ein weiterer Freund der Familie. »So ein gottverdammter Abaelard!«
    »Und damit wir ihm beweisen, dass wir auch belesen sind«, sagte Wolfher, der die Stiege herunterkam, »machen wir mit ihm das Gleiche, was sie mit Abaelard getan haben, als sie ihn mit Héloïse erwischten. Punkt für Punkt das Gleiche. Na, Bielau? Wie gefällt dir das, ein Kapaun zu werden?«
    »Fick doch einen Sterz!«
    »Was? Was?« Obwohl es schier unmöglich schien, wurde Wolfher Sterz noch eine Spur blasser. »Das Hähnchen wagt es noch, den Schnabel aufzureißen? Es wagt zu krähen? Gib mir den Ochsenziemer, Jens!«
    »Wage es nicht, ihn zu schlagen!«, ließ sich völlig unerwartet Adele vernehmen, die man schon, wenn auch nicht ganz bekleidet, die Stiege hinabführte. »Wage es ja nicht! Sonst werde ich allen kundtun, was du für einer bist!
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