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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman
Autoren: dtv
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Dass du selbst dich an mich herangemacht, mich begrabscht hast und mich zur Unzucht verleiten wolltest. Hinter dem Rücken deines Bruders! Dass du Rache geschworen, als ich dich davongejagt habe! Deshalb bist du jetzt so ein . . . so ein . . .« Hier fehlte ihr das passende deutsche Wort, so dass die ganze Tirade verpuffte. Wolfher lachte nur.
    »Dir werd ich’s zeigen!«, spottete er. »Auf dich wird grad einer hören, Französin, wollüstige Hure! Den Ochsenziemer, Uhu!«
    Der Hof füllte sich plötzlich mit den dunklen Habiten der Augustinermönche.
    »Was geschieht hier?«, rief der greise Prior Erasmus Steinkeller, ein magerer, gelbsüchtig aussehender Alter. »Was tut ihr, Christenbrüder?«
    »Packt euch fort!«, brüllte Wolfher und knallte mit dem Ochsenziemer. »Packt euch fort, ihr geschorenen Narren, ab zum Brevier und zum Gebet! Mischt euch nicht in Ritterfehden, sonst geht es euch schlecht, elende Schwarzkittel!«
    »Herr!« Der Prior faltete seine mit Altersflecken übersätenHände. »Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
In nomine Patris, et Filii . . .
«
    »Morold, Wittich! Her mit dem Wüstling! Jens, Dieter, fesselt den Kerl!«
    »Vielleicht«, Stefan Rotkirch, ein weiterer Freund des Hauses, der bisher geschwiegen hatte, verzog das Gesicht zu einer Grimasse, »vielleicht sollten wir ihn ein bisschen hinter dem Pferd herziehen?«
    »Von mir aus. Aber zuerst nehme ich ihn mir ein bisschen vor!«
    Er holte mit der Peitsche gegen den immer noch am Boden liegenden Reynevan aus, aber der Hieb blieb aus, weil Frater Innocent seinen Arm ergriffen hatte. Frater Innocent war von stattlichem Wuchs und ebensolcher Statur, was trotz seiner Demutshaltung unschwer zu erkennen war. Sein Griff umschloss Wolfhers Arm wie eine Eisenzwinge.
    Sterz fluchte lästerlich, riss sich los und versetzte dem Mönch einen Stoß. Aber genauso gut hätte er versuchen können, den Schlossturm von Oels umzustoßen. Frater Innocent, den die Confratres nur Bruder Insolent nannten, wankte nicht einmal, sondern revanchierte sich mit einem Stoß, der Wolfher in hohem Bogen über den halben Hof hinweg schließlich auf einen Misthaufen beförderte.
    Einen Moment lang herrschte Stille. Dann stürzten sich alle auf den riesigen Mönch. Dem Uhu, der ihn als Erster ansprang, wurden die Zähne eingeschlagen, und er rollte durch den Sand. Morold Sterz hatte eins aufs Ohr bekommen und tappte mit wirrem Blick zur Seite.
    Der Rest belagerte den Augustiner wie Ameisen. Die hohe Gestalt im schwarzen Habit verschwand förmlich unter ihren Püffen und Stößen. Obwohl Frater Insolent tüchtig etwas abbekam, bedankte er sich ebenso tüchtig und keinesfalls christlich dafür, damit in keinster Weise der Demutsregel des heiligen Augustinus entsprechend.
    Bei diesem Anblick verlor der greise Prior die Nerven. Mitkirschrotem Gesicht und brüllend wie ein Löwe warf er sich ins Kampfgetümmel, indem er nach rechts und links schwere Hiebe mit seinem Kruzifix aus Palisanderholz austeilte.
    »Pax!«,
schrie er beim Zuschlagen. »
Pax! Vobiscum!
Liebe deinen Nächsten!
Proximum tuum! Sicut te ipsum!
Ihr Hurensöhne!«
    Dieter Haxt traf ihn mit der Faust. Der Alte stürzte kopfüber nach hinten, seine Sandalen fuhren durch die Luft und beschrieben dort malerische Kurven. Die Augustiner erhoben ein fürchterliches Geschrei, einige von ihnen hielt es nicht länger, und sie stürzten sich in den Kampf. Auf dem Hof tobte ein regelrechter Aufruhr.
    Wolfher Sterz, der aus dem Getümmel verdrängt worden war, zog sein Kurzschwert und schwang es   – ein Blutvergießen drohte. Aber Reynevan, dem es inzwischen gelungen war, auf die Beine zu kommen, zog ihm den Knauf des Ochsenziemers über den Hinterkopf. Sterz griff sich an den Kopf und wandte sich um, da schlug ihm Reynevan mit aller Kraft die Peitsche ins Gesicht. Wolfher stürzte zu Boden. Reynevan rannte zu den Pferden.
    »Adele! Hierher! Zu mir!«
    Adele stand reglos da, ihr gleichgültiger Gesichtsausdruck erstaunte ihn. Reynevan sprang in den Sattel. Das Pferd wieherte und begann zu tänzeln.
    »Adeeeleee!«
    Morold, Wittich, Haxt und der Uhu rannten auf ihn zu. Reynevan wendete das Pferd, ließ einen gellenden Pfiff ertönen und sprengte im Galopp geradewegs auf die Pforte zu.
    »Hinterher!«, kreischte Wolfher Sterz. »Aufs Ross und hinter ihm her!«
    Reynevans erster Gedanke war, Richtung Marientor zu fliehen und sich hinter der Stadt in die Spahlitzer Wälder zu schlagen. Die Kuhgasse war
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