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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman
Autoren: dtv
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sind.«
    »Ich wiederhole«, Hofrichter stand auf und trat zu den auf dem Tisch ausgebreiteten Büchern, »ich wiederhole, ich habe es nicht eilig, weder zum Bischof noch zur päpstlichen Inquisition, ich will niemanden anschwärzen und auch niemanden auf dem Scheiterhaufen rösten sehen. Aber hier geht es um unsere eigenen Hintern. Damit wir nicht dieser Bücher wegen angeklagt werden. Was haben wir denn hier? Außer Galen, Plinius und Strabo? Saladin Ferro von Asculi,
Compendium aromaticorum,
Scribonius Largus,
Compositiones medicinae,
Bartholomeus Anglicus,
De proprietatibus rerum,
Albertus Magnus,
De vegetabilibus . . .
Magnus, ha! ein Beiname, wahrhaft eines Zauberers würdig! Und hier, bitte, Sabur ben Sahl . . . Abū Bakr ar-Rāzi . . . Heiden! Sarazenen!«
    »Diese Sarazenen«, erläuterte Lukas Frydman in aller Ruhe, indem er seine Ringe betrachtete, »werden an christlichen Universitäten gelehrt. Als medizinische Autoritäten. Und Euer Zauberer ist Albert der Große, der Bischof von Regensburg, ein überaus gelehrter Theologe.«
    »So sagt Ihr? Hmmm . . . Schauen wir weiter . . . Oh!
Causae et curae,
verfasst von Hildegard von Bingen. Gewiss eine Hexe, diese Hildegard!«
    »Nicht wirklich«, lächelte Pfarrer Gall, »Hildegard von Bingen, Prophetin, genannt die rheinische Sibylle. Sie verschied in einer Aura von Heiligkeit.«
    »Ha! Wenn Ihr das sagt . . . Aber was ist das? John Gerard,
Generall . . . Historie . . . of Plantes . . .
Möchte wissen, in welcher Sprache das verfasst ist, muss wohl jüdisch sein. Bestimmt wohl auch wieder so ein Heiliger. Hier haben wir hingegen
Herbarius
von Thomas de Bohemia . . .«
    »Wie sagtet Ihr?« Pfarrer Jakob hob den Kopf. »Thomas Böhm?«
    »So steht es hier.«
    »Zeigt einmal her. Hmmm . . . Interessant, interessant . . . Wie es scheint, bleibt alles in der Familie. Und alles dreht sich um die Familie.«
    »Welche Familie?«
    »So sehr in der Familie«, Lukas Frydman schien weiterhin ausschließlich Interesse für seine Ringe zu haben, »dass es enger gar nicht geht. Thomas Böhm oder Behem, der Autor dieses
Herbarius,
war der Großvater unseres Reinmar, ein Liebhaber von Ehefrauen anderer, der uns ziemlich viel Aufsehen und Kopfzerbrechen bereitet hat.«
    »Thomas Behem, Thomas Behem.« Der Bürgermeister runzelte die Stirn. »Genannt auch Thomas der Medicus. Ich habe von ihm gehört. Er war der Gefährte eines der Herzöge . . . Ich kann mich nicht recht erinnern . . .«
    »Herzog Heinrich VI. von Breslau«, fügte der Goldschmied Frydman seine beruhigende Erklärung rasch hinzu. »Tatsächlich war jener Thomas sein Freund. Ein hervorragender Gelehrter und fähiger Arzt. Er hat in Padua, Salerno und Montpellier studiert . . .«
    »Es hieß aber auch«, warf Hofrichter ein, der schon seit einiger Zeit durch Kopfnicken erkennen ließ, dass er sich gleichfalls erinnerte, »dass er ein Zauberer und ein Ketzer war.«
    »Ihr habt Euch an dieser Zauberei wie ein Blutegel festgesogen, Herr Johann.« Der Bürgermeister verzog das Gesicht. »Erspart es Euch.«
    »Thomas Behem«, dozierte der Propst mit einiger Strenge, »war ein Geistlicher. Kanonikus in Breslau, dann dort sogar Suffragan, und auch Titularbischof von Sarepta. Er hat Papst Benedikt XII. persönlich gekannt.«
    »Über diesen Papst wird auch unterschiedlich geurteilt.« Hofrichter dachte nicht daran aufzugeben. »Es soll auch unter den Infulaten zu Hexerei gekommen sein. Inquisitor Schwenckefeld hat zu seiner Zeit . . .«
    »Lasst das jetzt!« Pfarrer Jakob schnitt ihm das Wort ab. »Wir haben hier über anderes zu befinden.«
    »In der Tat«, bekräftigte der Goldschmied. »Ich weiß genau, worum es geht. Herzog Heinrich hatte keine männlichen Nachkommen, er hatte nur drei Töchter. Mit der jüngsten, Margarethe, hatte unser Pfarrer Thomas eine Romanze.«
    »Und das hat der Herzog zugelassen? So eine Freundschaft war das also?«
    »Der Herzog war seinerzeit schon nicht mehr am Leben«, erklärte der Goldschmied. »Herzogin Anna wusste entweder nicht, was da im Busch war, oder sie wollte es nicht wissen. Thomas Behem war damals noch kein Bischof, aber er hatte ausgezeichnete Verbindungen zu den übrigen Schlesiern: zu Heinrich dem Getreuen von Glogau, zu Kasimir von Teschen und Freistadt, zu Bolek dem Kleinen von Schweidnitz-Jauer, Wladislaw von Beuthen und Cosel, zu Ludwig von Brieg. Denn stellt Euch vor, Ihr Herren, jemand, der nicht nur in Avignon beim Heiligen Vater weilt, sondern auch Harnsteine so
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