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Nana

Titel: Nana
Autoren: Émile Zola
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vernachlässige, um der Venus nachzulaufen, sang sie mit keuscher Zurückhaltung, wobei sie eine Fülle von pikanten Zweideutigkeiten zum besten gab, die das Publikum in Eregung brachten. Ihr Gatte und Steiner, die neben einander saßen, lachten wohlgefällig. Das ganze Theater brach in Gelächter aus, als Prullière, dieser beliebte Schauspieler, als Mars in der Generalsuniform mit einem riesigen Federhut erschien und einem Schleppsäbel, der ihm bis an die Schultern reichte.
    Er sei Dianens überdrüssig, meinte er, sie tue zu spröde.
    Diana ihrerseits schwor, ihm aufzupassen und sich zu rächen.
    Das Duett schloß mit einer lustigen Tyrolienne, in die Prullière mit der drolligen Stimme eines grimmigen Katers einfiel.
    Er trug die belustigende Geckenhaftigkeit eines ersten Liebhabers bei einem galanten Abenteuer zur Schau und rollte prahlerisch die Augen, daß die Frauen in den Logen darüber in lautes Gelächter ausbrachen.
    Jetzt wurde das Publikum wieder kühler, man fand die folgenden Szenen langweilig. Nur der alte Bosc in der Rolle des schwachsinnigen Jupiter mit einer ungeheuren Krone auf dem Kopfe erheiterte einen Augenblick die Zuhörer durch einen häuslichen Streit, in der er mit Frau Juno wegen der Küchenrechnung geraten war. Dann folgte ein Aufmarsch der Götter: Neptun, Pluto, Minerva, und die anderen zogen vorüber. Dies hätte fast das ganze Stück zu Fall gebracht, denn das Publikum wurde ungeduldig; das Gemurmel im Saale wurde immer lauter; die Zuschauer verloren das Interesse und blickten zerstreut umher. Lucy lachte mit Labordette; der Graf Vandeuvres steckte den Kopf hinter den starken Schultern Blanches hervor. Fauchery blickte mit einem Auge nach den Muffats; der Graf war sehr ernst, als ob er nichts begriffen habe; die Gräfin lächelte und blickte träumerisch drein. Doch mitten in diesem Unbehagen brach plötzlich der Beifall mit der Regelmäßigkeit eines Trommelfeuers los. Alle Welt wandte sich zur Bühne. Ist Nana endlich da – diese Nana, die so lange auf sich warten ließ?
    Es war eine Abordnung der Sterblichen, geführt durch Ganymed und Iris. Es waren ehrsame Spießbürger, lauter betrogene Ehemänner, die gekommen waren, um vor dem Oberhaupt der Götter eine Beschwerde gegen die Venus zu erheben, die ihren Frauen allzu heftige Begierde einflöße. Der kindlich klagende Chor gefiel dem Publikum ausnehmend gut. Ein geflügeltes Wort machte die Runde im Saale: »Der Chor der Hahnreie«, man verlangte den Chor nochmals. Die Köpfe der Choristen waren sehr drollig; man fand, daß sie ganz nach Hahnreien aussähen, besonders ein Dicker mit einem Mondscheingesicht. Jetzt erschien Vulkan wütend und verlangte seine Frau, die seit drei Tagen durchgegangen war. Der Chor begann von neuem und wandte sich diesmal an Vulkan, den Gott der Hahnreie. Den Vulkan spielte Fontan, ein Komiker von originellem, derbem Talent; er erschien als Dorfschmied kostümiert, mit einer roten Perücke und entblößten Armen, auf denen mit Pfeilen durchstochene Herzen tätowiert waren. Einer Frau im Publikum entfuhr der Ausruf: »Ach, ist der häßlich!« Alles brach in Gelächter aus.
    Dann folgte wieder eine Szene, die kein Ende nehmen zu wollen schien. Jupiter berief darin den Rat der Götter, um ihm die Klage der betrogenen Ehemänner vorzulegen. Und noch immer keine Nana! Will man sie etwa erst in der letzten Szene auftreten lassen? Durch das lange Warten wurde das Publikum endlich ungeduldig. Man vernahm wieder Gemurmel im Saale.
    Das geht schief, bemerkte Mignon freudestrahlend zu Steiner; Sie werden sehen, es folgt ein Reinfall.
    In diesem Augenblick zerteilten sich die Wolken im Hintergrunde, und Venus erschien. Nana, sehr groß und stark für ihre achtzehn Jahre, in ein blaues Obergewand gekleidet, das lange blonde Haar einfach über die Schultern aufgelöst, trat mit selbstbewußter Keckheit, das Publikum anlächelnd, bis zur Rampe vor.
    Sie begann ihre große Arie:
     
    »Wenn Venus am Abend umherstreicht ...«
     
    Beim zweiten Vers sahen die Leute einander an. War das ein Spaß, etwa eine Wette von Bordenave? Nie hatte man eine so falsche, ungeschulte Stimme gehört. Ihr Direktor hatte sie gut beurteilt: sie sang wie eine Klistierspritze. Sie hatte keine Haltung, warf die Hände in die Luft und wiegte den ganzen Körper, was sehr unschicklich und unschön gefunden wurde. Schon erschollen Hoho-Rufe im Parterre und den oberen Rängen; schon hörte man leises Zischen, als plötzlich im Orchesterraum
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