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Nana

Titel: Nana
Autoren: Émile Zola
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vor ihren Sitzen im Saale und blickten umher. Der Saal erstrahlte im Lichterglanz. Der Kristalleuchter schwamm in einem Meer von gelbem und rosenrotem Licht und erleuchtete den Saal von der Decke bis ins Parterre. Die rotsamtenen Sitze glänzten wie lackiert; die Goldverzierungen schimmerten unterhalb der etwas roh gehaltenen Malerei der Decke. Jetzt war auch die Lampenbeleuchtung in die Höhe geschraubt und verbreitete ein helles Licht über den Purpurvorhang, der in einer Pracht und Fülle niederfloß, die an ein Feenschloß erinnerten; doch stach diese Pracht seltsam von der Dürftigkeit des Rahmens ab, unter dessen abgenützter Vergoldung der Gips zu sehen war. Die Musiker waren schon an ihren Pulten und stimmten die Instrumente; die leichten Triller der Flöte, die erstickten Seufzer des Hornes, der singende Strich der Violine schwirrten durcheinander in dem Saale, der von dem immer lauter werdenden Geplauder der Zuschauer erfüllt war. Alle redeten, die Leute schoben und stießen einander, um zu ihren Plätzen zu gelangen. In den Gängen war das Gedränge so arg, daß die Türen die endlose Flut nur langsam einzulassen vermochten. Grüße wurden ausgetauscht, Kleiderstoffe rauschten, ein endloses Vorüberziehen von Frauenröcken und Haarfrisuren, hie und da untermengt mit einem schwarzen Frack oder Gehrock. Die Sitzreihen füllten sich allmählich. Da hebt sich eine lichte Toilette ab, dort neigt sich ein Haupt mit feinen Zügen, im dunklen Haar blitzt ein Juwel auf. In der Ecke einer Loge schimmert eine Frauenschulter, fein und weiß wie Seide. Damen saßen ruhig, fächelten sich in der Hitze des Saales Kühlung zu und betrachteten das Gewoge der Menge. Junge Leute standen im Orchester, die Weste weit ausgeschnitten, eine Gardenia im Knopfloche, und richteten mit den behandschuhten Händen ihre Operngläser nach allen Seiten.
    Die beiden Vettern suchten nach bekannten Gesichtern. Mignon und Steiner saßen nebeneinander in einer Loge, die Arme auf die mit Samt gepolsterte Brustwehr gestützt. Blanche de Sivry schien für sich allein eine Vorbühnenloge im Parterre belegt zu haben. La Faloise fixierte hauptsächlich Daguenet, der zwei Reihen vor ihm einen Orchestersessel innehatte. Neben ihm saß ein Knabe von siebzehn Jahren, der einem Gymnasium entlaufen zu sein schien und mit seinen großen unschuldigen Augen neugierig umherblickte. Fauchery betrachtete ihn lächelnd.
    Wer ist jene Dame auf dem Balkon? fragte plötzlich La Faloise. Dort ... in Gesellschaft des in Blau gekleideten Mädchens?
    Er wies auf eine dicke Frau, deren Körperfülle das Mieder zu sprengen drohte; sie mochte ehemals blond gewesen sein, die Zeit hatte ihre Haare gebleicht, die sie nun gelb zu färben suchte. Das stark geschminkte Gesicht, von einer Menge kleiner Löckchen eingerahmt, zitterte in seinem schwammigen Fett.
    Das ist Gaga, sagte Fauchery einfach.
    Als er sah, daß dieser Name seinen Vetter zu verblüffen schien, fügte er hinzu:
    Du kennst Gaga nicht? Sie war das Entzücken der Welt in der ersten Zeit der Regierung Louis Philipps. Jetzt führt sie überall ihre Tochter mit sich.
    La Faloise hatte keinen Blick für das junge Mädchen. Der Anblick Gagas regte ihn auf, so daß er kein Auge mehr von ihr ließ. Er fand sie noch sehr begehrenswert, aber wagte es nicht zu sagen.
    Inzwischen erhob der Kapellmeister den Taktstock und die einleitende Musik begann. Noch immer strömten Leute herein; das Geräusch und die Unordnung wollten kein Ende nehmen. Unter dem Publikum der ersten Aufführungen, welches immer dasselbe war, gab es intime Kreise, wo sich die Bekannten lächelnd wiederfanden. Ständige Theaterbesucher, den Hut gemütlich auf dem Kopfe behaltend, winkten einander Grüße zu. Paris war da, das Paris der Literatur, der Finanzen und des Vergnügens, viele Journalisten, einige Schriftsteller, Börsenleute, mehr Halbwelt als anständige Frauen: eine eigentümlich gemischte Welt, durch alle großen Geister gebildet, durch alle Laster verdorben, in der die gleichen Begierden und die gleiche Langeweile sich auf allen Gesichtern spiegelte. Fauchery, von seinem Vetter befragt, zeigte diesem die Logen der Zeitungen und der Klubs, dann nannte er ihm die Kritiker: zunächst einen mageren Herrn mit vertrocknetem Gesicht und dünnen, boshaften Lippen, dann einen dicken, gutmütigen, der sich gemächlich auf die Schultern seiner Nachbarin, einer Theater-Naiven, lehnte, die er mit seinen väterlichen und zärtlichen Blicken
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