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Nana

Titel: Nana
Autoren: Émile Zola
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verschlingen zu wollen schien.
    Fauchery unterbrach sich, als er sah, daß La Faloise eine Gesellschaft grüßte, die eine Loge gegenüber der Bühne besetzte.
    Er schien überrascht.
    Wie? fragte er, du kennst den Grafen Muffat de Beuville?
    Oh, seit langer Zeit, erwiderte Hektor. Die Muffats hatten eine Besitzung in der Nachbarschaft der unsrigen. Ich komme oft in ihr Haus. Der Graf befindet sich in Gesellschaft seiner Gemahlin und seines Schwiegervaters, Marquis de Chouard.
    Stolz über das Erstaunen seines Vetters verweilte er jetzt bei den Einzelheiten über diese Familie. Der Marquis sei Staatsrat, der Graf soeben zum Kammerherrn der Kaiserin ernannt worden. Fauchery hatte inzwischen sein Opernglas zur Hand genommen und betrachtete aufmerksam die Gräfin, eine üppige Brünette mit weißer Haut und schönen, schwarzen Augen.
    Du wirst mich während eines Zwischenaktes vorstellen, sagte er endlich. Ich bin wohl dem Grafen schon begegnet, aber ich möchte bei den Dienstagsgesellschaften der gräflichen Familie zugezogen werden.
    Von den oberen Galerien tönte ein energisches Pst! herab. Die Musik hatte begonnen, und noch immer strömte das Publikum herein. Einzelne Verspätete zwangen ganze Reihen aufzustehen; Logentüren wurden zugeschlagen, aus den Gängen tönte lautes Gezänke herein. Das Gesumme der Unterhaltung dauerte noch immer fort, es glich dem Gezwitscher einer Armee von Sperlingen zur Abendzeit. Es war ein Durcheinander, ein Gewirre von Köpfen und Armen in Bewegung: die einen saßen und suchten es sich bequem zu machen, die anderen zogen es vor, die Musterung des Saales stehend fortzusetzen. Aus dem rückwärtigen, dunkleren Teile des Saales ertönten heftige Rufe: Niedersetzen! Niedersetzen! Ein Beben ging durch die Anwesenden: endlich wird man diese vielberühmte Nana zu Gesichte bekommen, die seit acht Tagen ganz Paris beschäftigte.
    Das Gespräch war allmählich leiser geworden; nur einzelne laute Stimmen ließen sich noch vernehmen. Inmitten dieses erstickten Gemurmels ertönten jetzt die lebhaften, kurzen Töne eines lustigen Walzers, dessen kecke, einschmeichelnde Melodie das Publikum sofort heiter stimmte.
    Die Leute in den ersten Bänken klatschten und trommelten; der Vorhang ging in die Höhe.
    Schau, sagte La Faloise, bei Lucy befindet sich ein Herr.
    Er blickte nach der Loge Lucys, die mit Caroline den vorderen Raum einnahm, während im Hintergrunde das würdige Antlitz der Mama Carolinens und das Profil eines großen jungen Mannes mit hübschem, blondem Haar in tadelloser Kleidung zu sehen waren.
    Schau doch, wiederholte La Faloise ungeduldig, es ist ein Herr in der Loge.
    Fauchery entschloß sich endlich, das Opernglas zur Hand zu nehmen und hinüber zu blicken, doch wandte er sich gleich wieder um.
    Es ist Labordette, sagte er in sorglosem Ton, als ob jedermann die Anwesenheit dieses Herrn natürlich und ohne Bedeutung finden müsse.
    Hinter ihnen rief man: Still! sie mußten schweigen. Der Saal war jetzt ruhig und unbeweglich geworden; lange Reihen von aufrechten und aufmerksamen Köpfen erfüllten den ganzen Raum vom Orchester bis zur Galerie. Der erste Akt des Stückes »Die blonde Venus« spielte im Olymp, einem Olymp aus Kartonpapier, die Kulissen stellten Wolken vor, rechts stand Jupiters Thron. Auf der Szene erschienen Iris und Ganymed, die – unterstützt von einer Schar himmlischer Diener, die einen Chor sangen – die Sitze für den Rat der Götter in Ordnung brachten. Der Beifall brach von neuem los, das Publikum aber verhielt sich noch ruhig und abwartend. Nur La Faloise applaudierte Clarisse Besnus, eine von den Dämchen des Bordenave, welche die Iris darstellte, bekleidet mit einem zartblauen Kostüm und einer großen siebenfarbigen Schärpe, die an der Taile durch eine Schleife festgehalten wurde.
    Du weißt, daß sie das Hemd ausziehen muß, um dieses Kostüm anzulegen, sagte La Faloise zu Fauchery so laut, daß es die Umgebung hören mußte.
    Wir haben die Geschichte heute Morgen probiert ... Man sah das Hemd unter den Armen und im Rücken.
    Ein leises Beben ging durch den Saal. Rosa Mignon als Diana trat auf. Obgleich weder ihre Gestalt, noch ihr Gesicht für diese Rolle paßte – ein Gesicht, schwarz und mager, von der liebenswürdigen Häßlichkeit eines Gassenjungen – war ihre Erscheinung doch reizend, gleichsam ein Scherz über ihre Rolle. Ihr Auftrittslied – von einer Blödigkeit des Textes zum Totlachen –, in der sie über Mars wehklagte, der sie
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