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Nana

Titel: Nana
Autoren: Émile Zola
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verschwand, entzückt, sein Publikum in Spannung versetzt zu haben.
    Mignon zuckte die Achseln und erinnerte Steiner daran, daß seine Frau ihn erwarte, um ihm das Kostüm zu zeigen, das sie im ersten Akte tragen werde.
    Schau, da steigt Lucy aus dem Wagen, sagte La Faloise zu Fauchery.
    Es war in der Tat Lucy Stewart, eine kleine, häßliche Frau von ungefähr vierzig Jahren mit langem Halse, magerem Antlitz; dabei war sie sehr lebendig und sehr graziös, im ganzen eine anmutige Person. Sie führte Caroline Héquet und deren Mutter mit sich; Caroline war eine Frau von kühler Schönheit, ihre Mutter eine Dame mit würdiger, lebloser Miene.
    Du kommst mit uns, ich habe dir einen Platz bewahrt, sagte sie zu Fauchery.
    Natürlich, um nichts zu sehen, erwiderte dieser. Ich habe einen Orchestersitz, der ist mir lieber.
    Lucy schien beleidigt. Durfte er sich etwa mit ihr nicht zeigen? ... Dann ging sie, plötzlich besänftigt, auf ein anderes Gespräch über.
    Warum sagtest du mir nicht, daß du Nana kennst?
    Nana? Ich habe sie nie gesehen.
    Wirklich? Und man sagte mir, du hättest dich sogar in ihrem Schlafzimmer tüchtig umgesehen.
    In diesem Augenblicke legte Mignon, der vor ihnen stand, einen Finger an die Lippen zum Zeichen, daß sie schweigen sollten. Von Lucy darüber befragt, zeigte er auf einen vorübergehenden jungen Mann und flüsterte:
    Das ist der Liebhaber der Nana.
    Alle blickten nach dem jungen Mann. Er war ein netter Junge. Fauchery erkannte ihn; es war Daguenet, ein Herr, der dreimalhunderttausend Franken mit den Frauen durchgebracht hatte und sich jetzt auf der Börse herumtrieb, um soviel zu erwerben, daß er ihnen von Zeit zu Zeit einen Blumenstrauß und ein Essen bezahlen konnte.
    Lucy fand, daß er hübsche Augen habe.
    Ah, da ist Blanche! rief sie aus. Sie war es, die mir erzählte, daß du in Nanas Schlafkammer so heimisch seiest.
    Blanche de Sivry, eine große, üppige Blondine mit stark geschminktem, hübschem Gesichte, kam am Arm eines vornehmen, leutseligen Herrn.
    Graf Xaver Vandeuvres, flüsterte Fauchery seinem Vetter Hektor ins Ohr.
    Der Graf tauschte mit dem Journalisten einen Händedruck, während Lucy und Blanche in eine lebhafte Unterhaltung gerieten. Mit ihren Schleppkleidern – die eine in rosa, die andere in blau – versperrten sie den Weg. Sie sprachen von Nana in einem so wegwerfenden Tone, daß das Publikum aufmerksam wurde.
    Graf Vandeuvres entfernte sich mit Blanche. Aber in diesem Augenblicke erscholl in allen Ecken des Vorraumes gleich einem Widerhall Nanas Name mit immer lauter werdendem Klang und durch die Erwartung gesteigerter Ungeduld.
    Fängt man noch immer nicht an?
    Die Herren zogen die Uhr; einige, die sich verspätet hatten, sprangen aus den Wagen, bevor diese hielten; die Gruppen räumten den Gehsteig, auf dem einzelne Spaziergänger langsam den Lichtstreif überschritten, hin und wieder einen Blick in das Theater werfend. Ein Gassenjunge, der pfeifend vorüberging, blieb vor einem Anschlagzettel stehen und rief höhnisch aus:
    Aha, Nana! dann setzte er schlendernd seinen Weg fort, wobei er mit den Sohlen seiner schlechten Schuhe auf dem Straßenpflaster klapperte.
    Die Umstehenden lachten.
    Einige Herren ahmten dem Gassenjungen nach:
    Nana! Aha, Nana!
    Das Gedränge vor dem Kassenschalter wurde immer ärger; man prügelte sich. Die Stimmen riefen immer lauter nach Nana. Es war ein Ausbruch jenen rohen Sinnenrausches, der zuweilen die Massen überkommt.
    Jetzt wurde das Getöse durch das Glockenzeichen des Regisseurs übertönt. Der Ruf: Es hat geklingelt! pflanzte sich von Mund zu Mund bis auf den Boulevard fort. Ein hastiges Rennen entstand. Jeder wollte hinein, die Angestellten bei den Kassen leisteten Übermenschliches. Mignon zog endlich voller Unruhe den Bankier Steiner fort, der es unterlassen hatte, Rosas Kostüme zu besichtigen. Beim ersten Glockenzeichen hatte La Faloise, seinen Freund Fauchery mit sich ziehend, sich durch die Menge geschoben und war hineingeeilt, um die einleitende Musik nicht zu versäumen. Diese Hast des Publikums verdroß Lucy Stewart. Sind das aber ungezogene Männer, meinte sie, daß sie die Frauen so stoßen. Sie blieb in Gesellschaft der Caroline Héquet und deren Mutter als letzte zurück. Der Vorraum hatte sich geleert; auf den Boulevards dauerte der Lärm des Straßenlebens fort.
    Wie sie sich beeilen, brummte Lucy, die Treppe emporsteigend, als ob diese Stücke immer so heiter sind.
    Fauchery und La Faloise standen wieder
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