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Nana

Titel: Nana
Autoren: Émile Zola
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aufgefordert, Einzelheiten über Nana, mit einer Roheit der Ausdrücke, die Hektor de La Faloise in Verlegenheit brachte. Er hatte Nana kennen gelernt, erzählte er, und wolle ihr den Weg bahnen. Er sei auf der Suche nach einer Venus für das neue Stück gewesen. Es sei nicht seine Sache, eine Frau lange auf dem Nacken zu behalten, er liebe es vielmehr, sie bald dem Publikum zu überlassen. Allein, diesmal klappte die Geschichte nicht, denn seine ganze Truppe sei durch die Ankunft dieses großen Mädchens in Aufruhr versetzt. Rosa Mignon, der erste Stern seiner Bühne, eine feine Schauspielerin und vorzügliche Sängerin, drohte fortwährend, ihn im Stiche zu lassen, denn sie witterte in dem Ankömmling eine Nebenbuhlerin und war wütend darüber. Und welcher Höllenspektakel erhob sich wegen der Anschlagzettel; er entschloß sich endlich, die Namen der beiden Schauspielerinnen in gleich großen Buchstaben auf die Anzeigen drucken zu lassen. Er sei übrigens nicht der Mann, sich von seinen Leuten viel schikanieren zu lassen. Wenn eines seiner Weibchen – wie er sie nannte – Simonne oder Clarisse nicht nach seinem Willen handele, so versetzt er ihr einen Stoß in den Hintern. Anders sei mit diesem Volk nicht auszukommen. Er wisse diese Dirnen nach ihrem wahren Wert zu schätzen, denn er treibe Handel mit ihnen.
    Schau, rief er, sich unterbrechend, da sind Mignon und Steiner. Immer beisammen; Sie wissen, daß Steiner der Rosa überdrüssig geworden ist; der Gatte der Schönen ist ihm auch immer auf den Fersen, weil er fürchtet, daß er ihm durchgeht.
    Die Reihe von Gaslaternen, die am Gesims des Theaters brannten, warfen einen breiten Lichtstreif auf den Gehsteig. Zwei junge Bäumchen hoben sich in frischem Grün ab; nicht weit davon stand eine weiße Säule, die so stark beleuchtet war, daß man wie am hellen Tage die daran geklebten Anzeigen lesen konnte. Darüber hinaus herrschte das nur durch die Flämmchen der Gaslaternen belebte Dunkel der Boulevards, auf denen die Menge auf und nieder wogte. Viele Herren traten nicht sofort in das Theater ein, sondern blieben plaudernd, ihre Zigarre zu Ende rauchend, unter der Gaslampe stehen, die ein fahles Licht auf sie warf und ihre kurzen, schwarzen Schatten auf dem Asphalt zeichnete. Mignon, ein großer, kräftiger Kerl mit dem vierschrötigen Kopfe eines Jahrmarktherkules, bahnte sich einen Weg durch die Gruppen, indem er den Bankier Steiner am Arme schleppte, einen kleinen, dickwanstigen Menschen mit rundem, von einem ergrauenden Barte umrahmtem Gesichte.
    Nun ..., sagte Bordenave zu dem Bankier, Sie haben sie ja gestern in meinem Büro getroffen ...
    Ah, die war's also! rief Steiner. Ich dachte mir's gleich; allein ich ging gerade fort, als sie kam, und hatte kaum Zeit, sie anzusehen.
    Mignon hörte dieses Zwiegespräch mit zusammengezogenen Augenbrauen an und drehte dabei erregt einen großen Brillantring an seinem Finger. Er begriff, daß von Nana die Rede sei. Als er sah, daß Bordenaves Schilderung in den Augen des Bankiers Flammen entzündete, unterbrach er das Gespräch.
    Lassen Sie es gut sein, mein Lieber ... Ein Gassenmensch ... Das Publikum wird ihr den Laufpaß geben ... Kommen Sie, Steinerchen, Sie wissen, daß meine Frau Sie in ihrer Ankleideloge erwartet.
    Er wollte ihn fortziehen. Steiner weigerte sich, Bordenave zu verlassen. Vor ihnen drängte sich das Publikum an der Kasse; es herrschte lauter Lärm, aus dem der Name Nana in dem Wohlklang seiner kurzen zwei Silben heraustönte. Die Herren vor den Anschlagzetteln buchstabierten den Namen mit lauter Stimme; andere warfen ihn im Vorbeigehen fragend hin, während die Frauen, neugierig und lächelnd, den Namen leise und mit überraschter Miene wiederholten. Niemand kannte Nana. Woher kam diese Nana? Allerlei Geschichten wurden in Umlauf gesetzt; man flüsterte schnurrige Dinge von Ohr zu Ohr. Der Name war eine Liebkosung, ein Kosename, so traulich und einschmeichelnd, daß er bald in aller Munde war. Schon beim Klange dieses Namens war die Menge erheitert und wohlwollend. Ein Fieber der Neugierde befiel jedermann, diese Pariser Neugierde, die sich mit der Heftigkeit eines Wahnsinnsanfalls äußert. Jeder wollte Nana sehen; einer Dame wurden im Gedränge die Spitzen abgetreten, ein Herr büßte seinen Hut ein.
    Sie fragen mehr, als ich beantworten kann, rief Bordenave einer Gruppe von jungen Leuten zu, die ihn mit Fragen bestürmten. Sie werden sie ja sehen ... Ich muß jetzt fort, man braucht mich. Er
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