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NAM-Tech: Maschinenbrut (German Edition)

NAM-Tech: Maschinenbrut (German Edition)

Titel: NAM-Tech: Maschinenbrut (German Edition)
Autoren: Robert Heracles
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die zerstörerischen Algorithmen in die hochverfügbaren Speicherstrukturen eindringen, ohne je wieder aus den Datenbanken von Trans-Humaine gelöscht werden zu können, schreitet die schwarze Gestalt über den zusammengesunkenen Körper ihres Schöpfers hinweg und tritt mit hochfahrenden Waffensystemen auf den Balkon hinaus.
    Der Mann im langen Umhang sieht aus wie ein Bettler. Frauen und Männer von heller und dunkler Hautfarbe tanzen zusammen zu den hymnischen Lobpreisungen al Waheds. Wogende See aus heiteren Leibern. Lachen und Kreischen. Umarmungen und Begierde. Ellbogenstöße und Entrüstung. Tausende Kehlen, tausende Stimmen. Gerstenbräu und Wein. Heilloses Spektakel am Boden und in der Luft.
    Wie ein Leinensack verhüllt ihn der löchrige, alte Stoff. Beim Vorwärtsdrängen durch die Menschenmengen rutscht immer wieder ein Stück des Umhangs beiseite und wird von dünnen Fingern schnell zurechtgerückt. Niemand bemerkt das Glänzen an seinen Händen, obwohl sie so glatt sind, dass sich alle Objekte der Welt darin widerspiegeln.
    Am Fuß der Pyramide steht die riesige Bühne mit niedrigem Pult und harten Stühlen, hohen Gästen und weichem Boden aus purpurnem Samt. Fanfarenklänge, die aus ihrem Bauch erschallen und Scheinwerfer, die in die junge Nacht hinein strahlen. Rasul al Wahed ist nicht mehr dort. Der öffentliche Auftritt ist vorbei. Der Jubel klingt nach, doch die Familie ist in die gläserne Anmaßung zurückgekehrt, um sich im privaten Kreis von einigen hundert geladenen Gästen feiern zu lassen. Nur eine steht dort noch, ein wenig verloren, zwischen drei lachenden Männern, die sie beschwatzen.
    Rico bezweifelt, dass sie ihn bemerken wird. Er weiß nicht, was sie sagen wird. Ob sie ihre eigene Stimme sprechen lässt, oder die ihres Vaters. Ob sie ihn als Wesen akzeptieren, oder als Spielzeug in die Ecke stellen wird. Aber er will ihre Antwort hören. Die Resonanz ihres Körpers erfassen. Die Frequenz ihres Herzschlags messen. Und er will etwas sehen, das er in den funkelnden, herrischen Augen des Scheichs nicht gesehen hat.
    Er geht auf sie zu.

    »Warum bist du zurückgekommen?«, fragt sie.
    Sol schaut auf die neugierige Frau herab, die an seiner Seite liegt. Der weiche Schaumstoff auf dem Boden eines anonymen Bungalows wird von seinem Gewicht plattgedrückt.
    »Du gibst wohl nie auf, was?«
    Sara lacht. Sie streicht über die kunstvoll geformte, zirkonische Mantelung in seinem Gesicht.
    »Es gibt mindestens drei Antworten auf deine Frage.«
    Während er in die Luft redet, fliegt ihr Auge über seine starren Züge. Das Metall ist absolut unbeweglich.
    »Erstens hatte der Plan der Alterna-Fraktion lediglich zu 48 Prozent Aussicht auf Erfolg.«
    »Ah, die Fraktion", meint Sara. Ihr Blick geht flüchtig zum Rucksack, der in der dunklen Ecke steht und ein seltsam gewebtes Textilstück beherbergt. »Und zweitens?«
    »Zweitens war der Plan, Nathan in einen TMS-Anzug zu stecken, um Einiges vielversprechender.«
    »Und höchstwahrscheinlich auch viel lustiger.«
    »Drittens warst du in Gefahr.«
    »
Drittens

    »Es gibt keine Priorisierung in der genannten Reihenfolge. Alle Gründe sind zu gleichen Teilen in die Berechnung eingeflossen.«
    Die winzigen Gelenkmotoren bewegen seinen Kopf in eine nach rechts gekippte Neigehaltung. Die schwach blinkende Lichterfront ist direkt vor ihren Augen. Sara kann die Frage nicht zurückhalten, auch wenn sie die Antwort schon lange kennt.
    »Woher weiß ich, dass du diese und jene Dinge machst, weil du mich ehrlich liebst? Woher weiß ich, dass du etwas für
uns
tust und nicht nur weil du in deiner inneren Verschaltung ein paar Zahlen berechnet, eine mathematische Gleichung gelöst und einen bestimmten, vordefinierten Zustand erreicht hast?«
    »Das kannst du nicht wissen«, sagt Sol.
    Sie schauen sich lange an, ohne sich von den rauschenden Blättern und dem fernem Flügelschlag ablenken zu lassen. Und nach exakt zehntausend Millisekunden sagt Sol:
    »Aber diese Gewissheit gibt es auch vom Menschen nicht.«
     

Der Autor
     

    Robert Heracles wurde 1981 geboren, hat Informatik studiert und ist seit mehreren Jahren nebenberuflich als Autor und Comiczeichner tätig. Neben einigen Publikationen in Fantasy-Anthologien, sowie Science Fiction-Comics beim THENEXTART Verlag, arbeitete er unter anderem als Comic-Autor für den von Todd McFarlane und Stan Lee preisgekrönten und von Thomas Leopold erfundenen und gezeichneten Comic-Superhelden »The Counselor«.
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