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Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Titel: Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17
Autoren: Bastei Lübbe
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oder tot zu sein.
    Auch in der kühlen Abendluft spürte Kai die Wirkung der genossenen »Re-Animator«-Cocktails. Er bemerkte es mit Erleichterung. Der leichte Rausch dämpfte die Angstsymptome.
    Er atmete schnell und flach, als er das Hauptportal der Klinik erreichte, und das lag nicht am Fußweg oder den Stufen, die er zurückgelegt hatte. Die Klinikhalle war hell erleuchtet. Doch die Drehtür war abgesperrt.
    Hilflos starrte Kai durch die Verglasung auf die verwaiste Pförtnerloge und den einsehbaren Teil des gespenstisch leeren Aufnahmetrakts. Da fiel ihm die Beschriftung auf.
    Dieser Eingang ist ab 22:00 Uhr geschlossen.
Krankentransporte bitte zur Notaufnahme.
    Darunter war ein Pfeil, der nach rechts zur Notaufnahme wies. Kai wandte sich ab und ging in die angegebene Richtung. Nach fünfzig Metern sah er die große NOTAUFNAHME-Leuchtschrift.
    Sie war defekt. Flackernde Lampen im vorderen Teil bewirkten, dass die Buchstaben O und T abwechselnd erloschen und wieder aufflammten.
    O-T-O-T-O-T-O-T-O-T-O-T, blinkte es im Sekundentakt. O -TOT- O -TOT- O -TOT.
    Mann, das musste dringend repariert werden!
    Kai überquerte mehrere Auto-Stellplätze des verwaisten Klinikparkplatzes sowie einen Fahrweg. Er erreichte eine beleuchtete Rampe, die zu einem großen Rolltor führte – die Krankenwagen-Einfahrt. Gleich daneben gab es einen Personenzugang.
    Kai blieb stehen. Er atmete mühsam, obwohl er sich physisch kaum verausgabt hatte. Trotz der Kühle der Herbstnacht verspürte er einen Schweißausbruch auf der Stirn und im Nacken. Sein Magen zog sich zusammen.
    Er starrte auf die Glastür mit dem roten Kreuz und dem »Notaufnahme«-Schriftzug. Seine Fingernägel bohrten sich in die Handballen. Endlich streckte er zitternd eine Hand nach dem Türgriff aus.
    Erst in diesem Augenblick bemerkte Kai, dass noch immer der abgerissene Unterarm in seiner Jackentasche steckte. Ohne nachzudenken, zerrte er den Arm heraus und warf ihn in den Abfalleimer, der neben dem Eingang stand. Dass er einem späteren Ankömmling damit eine Herzattacke bescheren konnte, übersah er in seinem Zustand.
    Die Tür führte in einen gefliesten Flur mit weiß getünchten Betonwänden. Links befand sich der Tresen der Anmeldung.
    Bis dorthin bedurfte es nur weniger Schritte. Aber Kai war wie gelähmt. Er versuchte, seine Atmung zu kontrollieren, sich zusammenzunehmen. Endlich stakste er hinüber und stand auf gallertweichen Beinen vor der Platte des Anmeldungstresens, an der er sich festhielt.
    Die Anmeldung war von einer grauhaarigen Schwester besetzt, die starr auf einen Bildschirm blickte. Der Schein des Monitors und die scrollenden Zeilen spiegelten sich in den Gläsern ihrer Brille wider.
    Kais Stöhnen klang beinahe zombieartig.
    »Ich … muss … ins Krankenhaus …«
    Die Schwester hob den Blick – und riss die Augen weit auf. Eine Sekunde später hatte sie den Telefonhörer am Ohr.
    »Schnell! Ein Arzt in den Wartetrakt! Wir haben ein Unfallopfer!«
    Kai konnte sich gut vorstellen, was sie dachte. Auf der Toilette des Cineplex hatte er sein Make-up nur zum Teil entfernen können, und die zerfetzte, vermeintlich blutgetränkte Kleidung trug er auch noch am Leib.
    Schon stand ein Glatzkopf im weißen Kittel neben ihm, und eine weitere Schwester schob einen Rollstuhl heran.
    »Das ist … kein echtes Blut«, sagte er schwach.
    »Das seh ich selbst«, blaffte der Weißkittel. »Aber ich sehe auch, dass es Ihnen sehr schlecht geht.«
    Die Schwester drückte ihn mit sanfter Gewalt in den Rollstuhl.
    »Bitte. Ich muss … ins Krankenhaus«, protestierte Kai.
    »Keine Angst, da kommen Sie auch hin«, versicherte ihm die Schwester.
    »In die Frauenklinik.«
    »Das hätten Sie wohl gern!«
    Allseits von lebendem und totem Klinikinventar umgeben, war Kai seiner Phobie wehrlos ausgeliefert. Er wurde in einen breiten Gang gerollt und dann in den nächsten freien Untersuchungsraum. Hinter ihnen glitt die Schiebetür aus Stahl in die Verriegelung.
    Der Arzt und die Schwester hoben ihn aus dem Rollstuhl, streiften seine Jacke ab und halfen ihm, sich auf der Untersuchungsliege auszustrecken. Er war verkrampft und in Schweiß gebadet. Sein Herz raste, er glaubte keine Luft zu bekommen.
    Kai sah Stahlschränke mit medizinischem Bedarf, Regalfächer mit Verbandsmaterial, Messgeräte, eine anatomische Tafel, einen Röntgenschirm, Sauerstoffflaschen, Infusionsständer … über ihm schwebte eine grell strahlende OP-Leuchte.
    Er bäumte sich auf. Der
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