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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil
Autoren: Tatjana Kruse
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leitender Ermittler der Schwäbisch Haller Mordkommission vergraben. Dann kam der verhängnisvolle Schuss in die Hüfte bei einem Banküberfall – dabei war er damals gar nicht im Dienst gewesen, hatte den Überfall nur zufällig als Privatmensch miterlebt. Und dann, als Vorruheständler, hatte er lange Zeit geglaubt, sein Leben sei gelaufen. Er war alt und invalide. Das war’s. Abgehakt. Aus und vorbei.
    Doch dann war MaC in sein Leben getreten. Marianne Cramlowski, Österreicherin. Arbeitete als Journalistin für das
Haller Tagblatt,
daher das Kürzel MaC. Eine Frau, mit der man Pferde stehlen konnte. Aber nicht wollte, weil es sehr viel schöner war, bei ihr zu Hause auf der Couch zu sitzen und ihre Hand zu halten. Oder sie einfach nur anzuschauen, während sie fernsah und dabei Nougatpralinen naschte, was sie ungeheuer gern tat und an ihrem Körper zu den entzückendsten Rundungen geführt hatte. Seifferheld liebte jedes einzelne Kilo an ihr. Ein spätes Glück.
    Manche Menschen treten in unser Leben und sind schnell wieder daraus verschwunden. Andere bringen unsere Seele zum Tanzen. Durch ihr Dasein wird die Sonne strahlender, die Sterne werden funkelnder, das Leben wird sinnträchtiger. Wir hoffen, dass sie lange – sehr lange – in unserem Leben bleiben und ihre Fußspuren auf unserem Herzen hinterlassen. Und sollten sie doch eines Tages nicht mehr Teil unseres Lebens sein, werden wir nie mehr so sein wie zuvor.
    Für Seifferheld war MaC so ein Mensch. Er wähnte sich im Paradies auf Erden. Es machte ihm daher nicht einmal etwas aus, als sie vorschlug, gemeinsam eine Busreise zu unternehmen.
    »Ich sehe dir doch an, was du denkst. Du denkst, es wäre so eine Abzocke, wo man in einem allzu engen Bus mit unbequemen Sitzen für wenig Geld an den Gardasee gekarrt wird, um dort drei Tage am Stück einem Heizdeckenverkäufer zu lauschen, und erst dann etwas zu essen bekommt, wenn man ein vierundzwanzigteiliges, blattvergoldetes Fischbesteck erstanden hat.« MaC strich ihm eine widerspenstige Haarlocke aus dem Gesicht.
    Seifferheld war sehr stolz auf sein noch weitgehend volles Haupthaar. »Also …«, fing er an.
    »Heutzutage ist das ganz anders«, unterbrach sie ihn. »Äußerst bequeme Busse, pfiffige Reiseleitung, ungemein schöne Hotels.« MaC hielt ihm drei Prospekte von Haller Busunternehmen vor die Nase.
    »Aber meine Hüfte«, hielt er dagegen, »ich kann nicht so lange sitzen.«
    »Das ist ja der große Vorteil: Im Bus kannst du jederzeit aufstehen und ein paar Schritte auf und ab gehen!«
    Seifferheld zierte sich noch ein wenig. »Das machen doch nur alte Leute.« Und alt waren ja immer nur die anderen.
    »Hast du eine Ahnung! Bustouren gibt es heute zu den angesagtesten Locations! Ich wette, du wirst mit Abstand der Älteste im Bus sein. Wir kommen auch an der Villa von George Clooney vorbei. Der Bus wird also brechend voll mit Clooney-Anbeterinnen sein. Willige Geschöpfe, die Trost suchen werden, wenn sie ihren Helden doch nicht zu Gesicht bekommen sollten. Du wirst dir jede Menge Appetit holen können, aber gegessen wird bei Mama!« MaC hauchte ihm einen anzüglichen Kuss auf die Stirn. »Denn um Geld zu sparen, nehmen wir uns im Hotel selbstverständlich ein Doppelzimmer.«
    Das gab den Ausschlag.
    Von da an herrschte nur noch Vorfreude. Auf den Gardasee. Mehr aber auf MaC. Im Doppelbett.
    Alles war eitel Sonnenschein.
    Bis sie vor dem Reisebüro standen, direkt neben der Bushaltestelle. In einer Viertelstunde würde das Reisebüro schließen, aber MaC brauchte dringend einen Kaffee. Sie war ein Hardcore-Kaffeejunkie: Wenn sie sich schnitt, floss Dallmayr Prodomo aus ihren Adern, kein Blut. »Soll ich dir aus der Bäckerei ein Croissant mitbringen?«, fragte MaC, weil sie wusste, wie sehr er Croissants liebte. Und weil sie wollte, dass er im Reisebüro den Mund voll hatte und mit Kauen beschäftigt war, dann würde er beim Arrangieren der Reise nicht mit Zwischenrufen stören.
    Seifferheld nickte.
    Und sah ihr nach, wie sie die paar Schritte zur Bäckerei ging. Ihre derzeit kastanienbraunen Locken wippten bei jedem Schritt. Unter der Strickjacke wogte ihr praller Po.
    Seifferheld seufzte wohlig auf.
    Und wurde urplötzlich von zwei Händen mit langen roten Fingernägeln gepackt, die seinen Kopf nach unten zogen. Fleischige rote Lippen, die nach Zucker schmeckten, pressten einen Kuss auf seinen erstaunt aufklappenden Mund.
    »Du sein mein Held!«, hauchte eine mädchenhafte Stimme. Weit
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