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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil
Autoren: Tatjana Kruse
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Haare offen, wie immer bei festlichen Anlässen, und Susanne sah aus wie soeben der
Vogue
entsprungen. Der
Vogue
für Schwangere, wohlgemerkt. Ihr Bauch war kugelrund. Hin und wieder hörte man Olaf säuseln »Geht’s dir gut, mein kleiner Kugelfisch?«
    Karinas Bäuchlein hielt sich vergleichsweise in Grenzen, dafür waren ihre Brüste – völlig ohne OP , nur dank Mutter Natur – enorm angewachsen. Allerdings konnte man unter dem schrillen Batikkaftan nur wenig von ihrer Figur ausmachen. Fela hielt beschützend den Arm um sie, und wann immer sie auch nur mit der Stirn runzelte, sprang er auf und holte ihr Mineralwasser oder Obst oder eine Jumbo-Packung Pralinen. Herrmann und Marcella Seifferheld, Karinas Eltern, hatten sich mit dem Unausweichlichen abgefunden und behandelten Fela wie den Sohn, den sie nie hatten. Nur mit Siegfried und Irmi redeten sie immer noch kein Wort, weil die aus ihrer einzigen Tochter eine vorbestrafte, unehelich schwangere Aktivistin mit täglich wechselnder Haarfarbe gemacht hatten.
    Der aus dem Rennen um Karinas Gunst geworfene Tayfun Ünsel, türkischer Adonis in Leihsmoking mit goldenem Kummerbund, hielt das Ereignis, sehr zum Unmut von Fela, auf seiner Spiegelreflexkamera im Bild fest. Dabei war nicht ganz klar, ob sich sein Unmut auf Neidgefühle angesichts der schicken Kamera gründete oder auf den Umstand, dass Karina Tayfun gelegentlich zuzwinkerte.
    Die Standesbeamtin bat die Anwesenden, Platz zu nehmen.
    Seifferheld, nervös wie noch nie in seinem Leben, warf MaC eine verliebte Kusshand zu. Sie sah in ihrem apricotfarbenen Kostüm einfach zauberhaft aus und verbreitete ein Licht, das schöner war als alles, was davor je an Licht erfunden worden war. Im Saal gab es nur eine Frau, die es an diesem Morgen an Schönheit und Strahlkraft mit seiner Marianne aufnehmen konnte – und das war seine Schwester Irmi.
    Und er, Siggi, durfte sie heute ihrem künftigen Mann übergeben, Pfarrer Helmerich Hölderlein. Seifferheld war ungemein gerührt. Dass er das noch erleben durfte – seine Schwester heiratete. Einen aufrechten, rechtschaffenen Mann Gottes.
    Sie würde zu ihm ins Pfarrhaus ziehen.
    Auch seine Tochter würde ihn verlassen. Susanne und Olaf waren mitten im Umzug in das kleine Einfamilienhaus im Vorort Tullau, damit ihr Kind im Grünen aufwachsen konnte.
    Herrmann und Marcella hatten für Karina und Fela eine Eigentumswohnung in der Salinenstraße gekauft, um der jungen Familie einen ordentlichen Start zu ermöglichen.
    Kurzum: Seifferheld hatte das Haus in der Unteren Herrngasse bald ganz für sich. Nur er und Onis.
    Endlich sein eigener Herr!
    Die Standesbeamtin hob zu ihrer Traurede an.
    Da beugte sich MaC zu ihm und flüsterte zärtlich in sein Ohr: »Jetzt haben wir das Haus ganz für uns – es ist dir doch recht, wenn ich zu dir ziehe, oder?«
    Seifferheld musste schlucken.

Neun Monate später …
    Ist es ein Mädchen? Ist es ein Junge?
Es ist ein Seifferheld!
     
    Susanne und Olaf wurden an einem frühen Sonntagmorgen stolze Eltern eines supersüßen Mädchens, das gewissermaßen schon lächelnd auf die Welt kam. Es war mehr rund als länglich, und wenn man es mit dem Zeigefinger auf den Bauch stupste, gab es herrlich glucksende Geräusche von sich. Die Kleine weinte nie und war immer guter Laune. Man hätte sie Pollyanna taufen sollen, aber auf dem Taufschein stand später Ola Sanne Seifferheld.
    Exakt drei Tage und sieben Stunden später brachte Karina – etwas zu früh, aber problemlos – Fela junior zur Welt. Alle waren enorm gespannt, wie der Wonneproppen aussehen würde – espressoschwarz wie der Papa oder doch eher die Milchkaffeevariante, und wenn ja, wie viel Milch?
    Man kann sich die Überraschung vorstellen, als der leitende Arzt der Säuglingsstation ein nicht im landläufigen Sinne gelbes, aber eben doch eindeutig asiatisches Kraftbündel mit Mandelaugen und der Lunge eines japanischen Kabuki-Sängers ins Wartezimmer trug und Fela in die Arme legte.
    Dazu gibt es natürlich eine Geschichte. Aber die wird ein anderes Mal erzählt …

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Über Tatjana Kruse
    Tatjana Kruse, Jahrgang 1960, lebt und arbeitet in Schwäbisch Hall. Sie ist überzeugte Krimiautorin. Sie wurde bereits mit dem »Marlowe« der Raymond-Chandler-Gesellschaft ausgezeichnet und mehrmals für den Agatha-Christie-Preis nominiert. Mit Siegfried Seifferheld, ihrem eigenwilligen Kommissar im Unruhezustand, ist Tatjana Kruse ein äußerst sympathischer Serienheld gelungen.
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