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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil
Autoren: Tatjana Kruse
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Es wurde Zeit, dass er wieder regelmäßig von Olaf physiotherapiert wurde. Susanne wollte das Kind behalten. Olaf gehörte also jetzt offiziell zur Familie. Dieser Pferdeschwanz- und Freundschaftsarmbandträger war der Vater von Seifferhelds Enkelkind.
    Ein Enkelkind. Er, Seifferheld, wurde Opa. Unfassbar. Gerade jetzt, da er sich wieder so jung fühlte, am Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Wie neugeboren. Er schritt kräftiger aus. Seine Schritte hallten.
    Sie waren aber nicht das Einzige, was hallte.
    Jemand ging hinter ihm. Es waren schwere Schritte.
    Seifferheld blieb stehen.
    Wer immer ihn verfolgte, blieb ebenfalls stehen.
    Seifferhelds Griff um die Gehhilfe wurde fester.
    Natürlich! Kolb und Sissi von Bellingen musste klar sein, dass er sie von der Bühne aus gesehen hatte und zwei und zwei zusammenzählen konnte. Sie hatten sich den Weg frei gemordet und wollten die Sache jetzt zu einem guten Ende bringen.
    Seifferheld holte tief Luft. Nur die Ruhe bewahren. Davonlaufen machte überhaupt keinen Sinn. Er tastete nach seinem Handy. Kein Handy. Mist. Ja klar, er hatte es zu Hause gelassen, damit es nicht versehentlich während des Wettkochens losbimmelte.
    Vielleicht hatte er Glück und in der Weinstube Gräter oder beim Jugoslawen saßen noch Gäste. Er ging schneller.
    Sein Verfolger holte auf.
    Nein, zwecklos. Seifferheld blieb nur die Konfrontation. Er blieb erneut stehen und sagte dann mit lauter, sehr lauter Stimme: »Guten Abend, Dr.Kolb!«
    Einen Moment lang herrschte Stille, dann lachte es in seinem Rücken auf.
    Dr.Kolb trat näher. »Sehr clever von Ihnen, Herr Kommissar. Sie spekulieren darauf, dass ein Anwohner hört, wie Sie meinen Namen sagen.«
    »Sehr richtig, Herr Dr.Kolb, Herr Dr.Arnfried Kolb«, erklärte Seifferheld, immer noch markerschütternd laut.
    Kolb schmunzelte frech. »Geben Sie sich keine Mühe. Ich habe ein wasserdichtes Alibi. Ich schlafe in diesem Moment gerade mit Sissi von Bellingen. Helfe ihr bei der Trauerarbeit.«
    Seifferheld hob eine Augenbraue. »Wie bitte?«
    »Ich habe die Gute unter Drogen gesetzt. Wenn ich sie nachher wecke, werde ich ihr glaubhaft versichern, dass wir Sex hatten. Es handelt sich um eine hypnogene Droge – sie wird felsenfest davon überzeugt sein, dass wir die ganze Nacht zusammen waren. Hält auch einem Lügendetektor stand.«
    »Ich wusste es. Mit der haben Sie auch Ulla Zeeb außer Gefecht gesetzt!« Seifferheld zielte mit der Gehhilfe auf ihn. »Sie und Sissi von Bellingen hatten eine Affäre, und Lambert war Ihnen im Weg.«
    Arnfried Kolb schnaubte höhnisch. »Großer Gott, nein. Sissi ist nichts weiter als eine Patientin von mir. Aber heute Nacht kam sie mir sehr zupass. Ich brauche doch ein Alibi, wenn ich Sie umbringe. Und die gute Ulla hat eine Ausstellungseröffnung in Bad Mergentheim.«
    Kolb packte Seifferheld am Oberarm und zog ihn in einen der dunklen Durchgänge zu den malerischen Hinterhöfen, von denen es in der Gelbinger Gasse mehrere gab. »Ihr Weg ist hier zu Ende, Herr Kommissar.«
    Kolb könnte rein von den Jahren her sein Sohn sein. Er wirkte sportlich. Und zu allem entschlossen. Eine Sekunde lang gab sich Seifferheld der unguten Vorstellung hin, dass für ihn jetzt wirklich der Vorhang fallen könnte.
    »Lassen Sie mich nicht dumm sterben, Kolb. Sagen Sie es mir ganz offen: Sie haben doch Lambert von Bellingen und Kiki Runkel ermordet, nicht wahr?«
    Kolb tastete in der Innentasche seines Jacketts herum. Suchte er eine Giftspritze? Oder ein Skalpell?
    Natürlich, ein Skalpell.
    »Suchen Sie das Skalpell, mit dem Sie Lambert von Bellingen die Gurgel durchtrennt haben?«
    »Bitte, Herr Seifferheld, ich werde hier und jetzt keine tränenreiche Beichte ablegen. Glauben Sie mir, in ein paar Minuten ist Ihnen alles egal, auch wer welchen Mord begangen hat.«
    Von fern hörte man die Glocken von St. Michael.
    Mitternacht.
    »Ach, wie nett«, meinte Kolb. »Heute ist mein Geburtstag. Und ich werde ihn festlich begehen, indem ich
den
Mann aus dem Weg räume, der meinem Glück noch im Weg steht.«
    »Sie haben heute Geburtstag?«, improvisierte Seifferheld. »Gratuliere. Ich habe zwar keine Ahnung, wie alt Sie heute geworden sind, aber Sie sehen auf jeden Fall jünger aus.«
    Es war finstere Nacht, und man konnte in dem schattigen Durchgang rein gar nichts sehen, aber Kolb sprang sofort darauf an. »Ja, nicht wahr, wie ich immer sage: Die Schönheitschirurgie dient dem Menschen! Anti-Aging fängt bei Spritze und Skalpell an,
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