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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil
Autoren: Tatjana Kruse
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und des Forstbetriebes kümmern würde. Was Unsinn war. Er fühlte sich an diesen Schwur auch nicht gebunden, aber mittlerweile hatte er den Anschluss an die Kunstwelt verloren. Er musste zweigleisig fahren, bis er für seine großformatigen Öl- und Aquarellbilder einen, besser zwei gute Galeristen gefunden hatte. Ab nächster Woche hatte er eine Einzelausstellung im Hällisch-Fränkischen Museum, kurz HFM . Im dortigen Wintergarten würde er sechs Wochen lang seine neuesten Werke der Öffentlichkeit präsentieren. Vielleicht kam auch der hiesige Schraubenmilliardär und Kunstmäzen Reinhold Würth vorbei und kaufte ein Bild für seine legendäre Kunstsammlung. Dann endlich würden die Medien auf KonziBel aufmerksam werden, wie er seine Werke zu signieren pflegte. Diese Ausstellung stellte einen wichtigen Schritt in Richtung seiner neuen, seiner eigentlichen Karriere dar. Sie läutete eine Zeitenwende ein. Darüber hatte er allerdings ein wenig das Geldeintreiben vernachlässigt. Würden ihm diese Außenstände jetzt das Genick brechen? So kurz vor seinem Durchbruch als Künstler?
    »Ich finde Insolvenz nicht so gut«, bemerkte Konzi.
    Die Augen des Anwalts, zwei schwarze Briketts, verrieten nicht, welche Gedanken durch die Windungen seines Gehirns schossen.
Ist der als Kleinkind auf den Kopf gefallen? Wurde der versehentlich lobotomiert?
Nein, es waren einfach nur zwei ausdruckslose schwarze Augen über einem Mund, der jetzt sagte: »Sie haben natürlich recht, eine Insolvenz ist bedauerlich. Aber sie ist auch eine Chance. Mit Hilfe eines Insolvenzberaters kommt Ihr Betrieb vielleicht noch einmal auf die Beine.«
    »Aber es fehlen doch nur fünfzigtausend Euro«, hielt Konzi dagegen. Das waren doch gerade mal zehn TAG -Heuer-Carrera-Uhren oder eine fette Patek Philippe Nautilus mit Brillantziffernblatt. So etwas trug sein Bruder Lambert täglich am Handgelenk. Sein Bruder, der gemäß dem Motto lebte: Spare in der Schweiz, dann hast du in der Not. Sein Bruder, der sich von der Wirtschaft schmieren ließ, um bei Abstimmungen im Landtag zu wissen, wie er zu wählen hatte, weil er von allein nicht darauf kommen würde. Sein Bruder, der diese verdammte Forstwirtschaft, die seine Familie nun schon in x-ter Generation betrieb, nur insofern mitbekam, als er hin und wieder zu nachtschlafender Zeit – zuletzt an diesem Morgen – Konzi am Handy anbrüllte, er solle diesen oder jenen Baum fällen lassen, und zwar pronto, kein normaler Mensch könne sonst Fasane schießen.
    Genau. Dieser sein Bruder Lambert. Der könnte ihm das Geld doch vorschießen.
    »Und wenn ich in den nächsten Tagen an fünfzigtausend Euro herankäme?«, fragte Konzi den Anwalt mit den Brikettaugen.
    »Dann ließe sich eine Insolvenz fürs Erste umgehen. Ich denke aber dennoch …«
    »Sehr gut, dann verbleiben wir so!« Konzi freute sich. Fürs Erste genügte ihm vollends. Er musste nur bis zum Ende seiner Ausstellung im HFM durchhalten. Mit jeder Faser seines Körpers spürte er, dass er dort als Künstler entdeckt werden würde. Von einem Sammler. Einem Galeristen. Einem Kunstjournalisten. Das HFM war nur der erste Schritt, dann kam die Stuttgarter Staatsgalerie und anschließend das Metropolitan Museum of Modern Art in New York. Konzi strahlte verklärt.
    »Die Banken werden Ihnen nichts mehr vorschießen«, warnte der Anwalt.
    »Das ist auch nicht nötig.« Konzi lächelte ihn von oben herab an. Gleich darauf lächelte er in sich hinein. »Ich kriege das Geld von Lambert. So oder so …«, murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart.
    Womöglich lag es an ebendiesem nicht vorhandenen Bart, dass der Anwalt jedes seiner Worte mitbekam und in seinem Herzen bewahrte, wo er sie einige Tage später herausholte und sie gegen seinen Mandanten verwendete.
    Anwaltsehre – auch nicht mehr das, was es noch nie war.

10 : 00  Uhr
    Ein Mammaplastiker packt aus.
     
    Vorsichtig entfernte er die weiße Gaze. Höchstselbst wickelte er die beiden Kugeln aus: gigantisch, prall, zum Reinbeißen! Und unwillkürlich stockte ihm der Atem, als er die beiden rosigen Weltwunder, die er geschaffen hatte, schlussendlich freilegte. Ja, diese Brüste waren Perfektion in Vollendung. Superb. Das Beste vom Besten.
    Und
er
hatte sie geschaffen, er, Dr.Arnfried Kolb, plastischer Chirurg. Die Götter waren in diesem Moment bestimmt neidisch. Solch eine Vollkommenheit gab es in der Natur nicht.
    »Sieht sehr gut aus«, sagte er folglich zu seiner Patientin. Ihren Namen
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