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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil
Autoren: Tatjana Kruse
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wusste er nicht. Er hätte auf dem Krankenblatt nachsehen können, aber wozu. Es reichte, dass er diesen beiden vollkommenen Busen einen Namen gegeben hatte: Der linke hieß Adam, der rechte Eva. Die Ersten ihrer Art.
    »Sie haben mich zu einer glücklichen Frau gemacht«, flötete der Kopf über den Brüsten.
    Kolb sah nicht hoch, nickte nur, wie man angesichts einer Selbstverständlichkeit nickt.
    Es war wirklich das erste Mal gewesen. Ein Akt der Schöpfung aus dem Nichts heraus.
    Nach gefühlten einhunderttausend Silikonimplantaten hatte Kolb an dieser Namenlosen mit der Blockflötenstimme zum ersten Mal eine Brustvergrößerung unter Verwendung körpereigenen Fettgewebes durchgeführt. Eine Sensation. Aus ihrem Knochenmark isolierte Stammzellen hatte er in einer Schablone aus biologisch verträglichem Material zum Wachstum stimuliert. Das so entstandene Gebilde aus gepflanztem Fettgewebe stellte eine sichere Alternative zu Silikonimplantaten dar und barg nicht das Risiko eines Implantatbruchs.
    Genial, wenn es denn schon legal wäre. Aber bislang war es in Deutschland nur an Mäusen getestet worden. Und das auch nicht am Diakoniekrankenhaus zu Schwäbisch Hall, wo er als plastischer Chirurg tätig war und in erster Linie irgendwelchen Hohenloher Bauern die bei der Feldarbeit abhandengekommenen Daumen wieder annähen musste, sondern in der Charité in Berlin, wo man seine Bewerbung seinerzeit abgelehnt hatte.
    Kolbs brillanter Versuch an einem Menschen weiblichen Geschlechts würde daher vorerst geheim bleiben müssen. Zu schade. Er sah sein Konterfei schon auf allen relevanten Wissenschaftsmagazinen. Und auf der
BILD
-Zeitung, neben dem Nackedei des Tages, dessen Brüste selbstverständlich er, Arnfried Kolb, modelliert haben würde.
    »Wie schön!«, seufzte er unwillkürlich bei diesem herrlichen Zukunftsgedanken.
    »Ja, das findet mein Detlef auch«, frohlockte die Namenlose.
    Kolb sah ihr ins Gesicht. An einem Tag wie heute war er gewillt, selbst niedrigen Kreaturen das Gefühl der Existenz zu vermitteln. »Das freut mich«, log er daher nonchalant.
    Was für ein wunderbarer Tag, dachte er. Nichts, dachte er weiter, konnte an einem solch spektakulären Tag schiefgehen.
    Und ganz bestimmt haben die Götter in diesem Moment sehr fröhlich über diesen Gedanken gelacht …

12 : 00  Uhr
    Ist Ihr IQ eine Primzahl?
     
    Die beiden dunkelhaarigen Männer saßen tief über ihre Teller gebeugt und führten die Löffel mit ihrem Nationalgericht zum Mund. Sie hatten einen Migrationshintergrund und waren in dieser Gegend nicht gern gesehen. Das wussten sie, aber es kümmerte sie nicht. Für den Fall, dass es Ärger geben sollte, hatten sie ihre Bodyguards dabei. Diese blöden Berliner konnten sie mal kreuzweise.
    Anfangs löffelten die beiden CDU -Politiker aus dem Schwäbischen ihre Maultaschensuppe noch schweigend, kümmerten sich einen Dreck um die Blicke der schwabenhassenden Berliner Anwohner, die in ihrer Stammkneipe lieber unter sich geblieben wären. Schwaben waren gerade hier im Helmholtzkiez nicht gut gelitten. Auch das Stadtmagazin
Zitty
hatte in seiner neuesten Ausgabe mal wieder dem Antischwabismus gefrönt, hatte für schlichte Gemüter ausgiebig das Feindbild »Schwabe« aufgebaut und die Angst vor »Überfremdung durch pietistische Spätzleschaber« geschürt. Es sprach scheinbar so viel gegen diese Äquatorflüchtlinge: Wo Berliner mühsam Häuser besetzten, kauften die Schwaben sie einfach. Die Schwaben frönten außerdem einem Sauberkeitsfimmel, waren schaffige Workaholics und redeten höchst eigenartig. Wenn ein Berliner zwischen einem Schwaben und einem Türken wählen dürfte, dann würde er jederzeit den Türken nehmen. Ganz klar. Aber diese Frage stellte sich im Moment nicht. Es war nämlich weit und breit kein Türke in Sicht. Nicht einmal ein Österreicher, was ja nahe dran gewesen wäre. Nein, es gab nur diese beiden Schwaben am hinteren Ecktisch.
    Der ältere der beiden Schwaben – mit beachtlichem Bierbauch unter dem Hugo-Boss-Anzug – legte den Löffel beiseite und schwäbelte: »D’r Lambert von Bellingen isch undragbar worda.« (Übersetzung für Nicht-Schwaben: Dieser Lambert von Bellingen ist untragbar geworden.)
    Der Jüngere – feingliedrig, aber auch in Hugo Boss – nickte und löffelte weiter. Gut, dass sie hier nicht in China waren, wo man mit dem Essen aufhören musste, sobald der Älteste am Tisch fertig war.
    Der Ältere fuhr fort (hier gleich in übersetzter
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