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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil
Autoren: Tatjana Kruse
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Fassung): »Wie Sie wissen, will ich mich demnächst der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden stellen, bis dahin muss dieses Problem aus der Welt geräumt sein. Ich will mich nicht vor der Presse dafür verantworten müssen, warum so einer wie dieser von Bellingen, so ein korrupter, gewissenloser Hurenbock, nicht schon längst aus der Partei ausgeschlossen worden ist. Was ich mich im Übrigen selbst frage, wann immer ich diesen Saudackel, diesen Lumpensack, diesen Jenseitsbachel zu Gesicht bekomme.« Er tupfte sich mit der Leinenserviette den Mund ab.
    Der Jüngere zerteilte seine letzte Maultasche mit dem Löffel. Etwas Brühe spritzte auf die Krawatte mit dem Emblem seiner Tübinger Burschenschaft. Er rieb sie sofort mit seiner Serviette sauber.
    »Ich kann mich doch auf Sie verlassen?«, fragte der Ältere.
    »Absolut. Ich habe da so meine Methoden. Meine Lufthansamaschine nach Stuttgart geht um vier. Heute Abend bin ich bereits mit ihm verabredet.«
    »Gut. Sehr gut. Je eher das geklärt wird, desto besser!« Der Ältere winkte dem Kellner. »Noch zwei Schorle weiß-sauer.«
    Der Wirt, der in Personalunion auch der einzige Kellner der Eckkneipe war, nickte freundlich. Er kam aus Halle an der Saale. Preußen. Junkerland. Wenn das Trinkgeld stimmte, bediente er auch Schwaben und setzte sogar Maultaschen auf die Speisekarte.
    Da war er tolerant.

13 : 00  Uhr
    Wie bringt man Fruchtfliegen den Formationsflug bei?
     
    Als Normalmensch denkt man ja immer, reiche Erben gebe es nur im Film. Oder in Monaco. Weit gefehlt. In Schwäbisch Hall wimmelte es von ihnen: Kinder, Enkel, Urenkel von Unternehmern und Erfindern und Häuslebauern, die sich der lästigen Aufgabe widmen mussten, sich eine berufstätige Fassade aufzubauen, damit keiner merkte, dass sie reiche Erben waren. Ein reicher Erbe zu sein hat im Schwäbischen ein Gschmäckle. Man hatte sich sein Vermögen gefälligst selbst zu erschaffen. Deswegen hatten reiche Erben irgendwie auch immer ein schlechtes Gewissen.
    Aber wenn man lange genug an der Fassade feilte und regelmäßig jammerte, wie schwer im Job alles war – wobei man den Job nie näher definierte –, dann glaubten es einem die Leute mit der Zeit und waren bass erstaunt, wenn die Tarnung doch irgendwann aufflog. Falls dieser Tag kam, konnte man immer noch jammern, wie aufwendig es beispielsweise war, die vielen Mietshäuser zu verwalten oder der Verwaltungsgesellschaft, die sich um die Mietshäuser kümmerte, auf die Finger zu schauen. Das Leben war für niemand ein Zuckerschlecken!
    Klaus – 45 , lockenköpfig, dauerlächelnd – den alle
Kläuschen
nannten, weil sein Lebenszweck nicht Borstenvieh und Schweinespeck, dafür aber
Päuschen
waren – kümmerte derlei nicht. War er eben ein reicher Erbe, so what? Die musste es auch geben. Im Tierreich hatte ja auch alles und jedes seine Existenzberechtigung. Es gab Nasenaffen, Anglerfische, Würgefeigen und ihn, Klaus.
    Klaus besaß ein Loft mit Blick auf das Globe-Theater und die dahinterliegende malerische Altstadtkulisse von Schwäbisch Hall. Seit er Vollwaise war, also seit ungefähr fünf Jahren, teilte er sein Leben nur noch mit Mimi, der aufblasbaren Gummipuppe.
    Als Haustiere hielt er sich Fruchtfliegen – den Gegebenheiten folgend, nicht ursprünglich aus freiem Willen –, und sein hehres Ziel war es, diesen possierlichen Tierchen den Formationsflug beizubringen. Er wusste natürlich, dass der durchschnittlichen Fruchtfliege nur ein äußerst kurzes Leben beschieden war, aber er hegte die feste Überzeugung, dass sich irgendwann das Wissen um den Flug in Pfeilformation von der Schale mit den gammeligen Äpfeln zum überquellenden Mülleimer mit den heraushängenden Bananenschalen ins genetische Material der Fliegen einbrennen und dann auf ewig in allen nachfolgenden Generationen als Ur-Wissen vorhanden sein würde.
    Da die Tierdressur anstrengend war, sah man Klaus tagsüber des Öfteren in Haller Cafés herumhängen, wo er als selbsternannter Espressotester lässig an den Theken lehnte: im Amici, in Harrys Bar, in der Suite 21 .
    Nein, es war wirklich kein Zuckerschlecken, sein Dasein als reicher Erbe zu fristen, aber einer musste es ja tun.

13 : 45  Uhr
    Ich rede nicht zu schnell, du hörst zu langsam zu!
     
    Ärger im Paradies.
    Jahrzehntelang war Ex-Kommissar Siegfried Seifferheld verheiratet gewesen, nicht glücklich, aber in Freundschaft verbunden. Nachdem seine Frau an Krebs gestorben war, hatte er sich in seiner Arbeit als
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