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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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begegnen.
    So blieb sie in den Randgebieten um die Stadt und ihre Heimatlichtung herum und saß oft stundenlang da, betrachtete den Wolkenflug am Himmel und träumte vor sich hin. Ein junger, weißer Wolf gesellte sich immer öfter zu ihr. Er schien genauso einsam zu sein wie sie und wartete nach einigen Tagen schon am Waldrand, wenn sie im Schein der untergehenden Sonne zwischen den ersten Bäumen auftauchte.
    Kyrana gab ihm den Namen Akash und gewöhnte sich mehr und mehr an seine verspielte Anwesenheit.
    *
    Einen Henkelkorb über dem Arm und die andere Hand in ihrem Gewand verkrampft, so schlich Kyrana durch die Gassen von Nocrya. Die Sonne war längst untergegangen und hatte einer kühlen Dämmerung Platz gemacht, als sie sich dem Haus des Medicus näherte. Jara lag im Bett darnieder. Die Fenster waren, trotz der hereinbrechenden Nacht, abgedunkelt, da rasende Kopfschmerzen sie plagten.
    Die Augen starr auf das Kopfsteinpflaster geheftet, um den Blicken der wenigen Passanten zu entfliehen, erreichte Kyrana schließlich ihr Ziel. Eilends betrat sie den Warteraum, in dem eine einzelne Dame ihr entgegen sah und sofort einen missbilligenden Blick aufsetzte, als sie das Mädchen erkannte. "Die Götter mit Euch", grüßte Kyrana leise und ließ einen kleinen Knicks folgen, so wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte.
    Die Frau nickte knapp und sah dann betont abweisend aus dem Fenster. Still setzte sie sich auf einen der Stühle und hoffte, der beklemmenden Situation recht bald entrinnen zu können. Niemand mochte sie. Sogar Menschen, welche sie gar nicht kannte, betrachteten sie unfreundlich und mit Argwohn. Mit einem bekümmerten Seufzen strich sie sich eine ihrer weiß leuchtenden Haarsträhnen aus dem Gesicht und senkte ihre roten Augen gen Boden.
    Kyrana hasste ihr seltsames Aussehen und wünschte sich nichts sehnlicher, als nicht mehr so 'anders' zu sein. Als die Dame schließlich hereingerufen wurde, atmete sie erleichtert auf und wagte erstmals, sich in dem nüchternen Warteraum umzusehen.
     
    Der Medicus von Nocrya war ein älterer, freundlicher Herr, welcher schon viel Merkwürdiges gesehen hatte in seinem Leben. So bedachte er das Mädchen mit einem warmen Gruß und händigte ihr, nachdem sie die Krankheit ihrer Mutter geschildert hatte, eine tönerne Flasche mit einer übelriechenden Flüssigkeit und einen Lederbeutel mit einem grobkörnigen Pulver aus. Kyrana bedankte sich artig für die Arznei und verabschiedete sich mit einem Knicks.
    Dann stand sie wieder auf der Gasse vor dem Haus und sah sich um. Mittlerweile schien der Mond als helle Sichel über die strohbedeckten Häuser, umtanzt von zahllosen strahlenden Sternen. Keine Menschenseele war zu sehen und nur das gelegentliche Bellen eines Straßenhundes unterbrach die nächtliche Stille. Zu solch' später Stunde war sie noch nie in der Stadt unterwegs gewesen und zunehmend kroch eine ängstliche Beklommenheit in ihr auf.
    Beinahe hastend, dabei den Korb fest in der Hand, machte sie sich auf den Heimweg. Schon tauchten die ersten Bäume der nahen Lichtung vor ihr auf. Nun würde es nicht mehr weit sein. Froh, die Stadt hinter sich zu lassen, verlangsamte sie ihre Schritte und blieb schließlich stehen. "Akash?" Leise ertönte ihre helle Kinderstimme, doch verhallte sie unbeantwortet in der Dunkelheit. Der weiße Wolf schien wie vom Erdboden verschluckt.
    Stille breitete sich um sie her aus, je weiter sie in das Unterholz vordrang. Kein Nachtvogel ließ seinen Ruf erklingen und sogar der Wind schien zu schweigen. Kyrana fröstelte, während sie mit tastenden Schritten vorwärts strebte. Das Brechen kleiner Zweige unter ihren Füßen klang so laut, dass es nur übertönt wurde von dem aufgeregten Pochen ihres Herzens.
    Lediglich der fahle Schein des Mondes beleuchtete ihren Weg, sodass sie die düstere Gestalt erst bemerkte, als sie unmittelbar vor ihr stand. Ein spitzer Schrei entfuhr ihr und erschrocken stehenbleibend presste sie den Korb an ihre Brust. Ihr Herzschlag dröhnte plötzlich in ihren Ohren und ihre Beine drohten, unter ihr nachzugeben.
    Gehüllt in einen schwarzen Umhang, dessen Kapuze tief ins Gesicht gezogen war, stand die Gestalt unbeweglich vor ihr und versperrte ihr den Weg. "Was machst du zu dieser nächtlichen Stunde inmitten des Waldes, kleine Kyrana?" Die Männerstimme war tief und wohltönend. Mit großen, entsetzten Augen versuchte sie, zu erkennen, was sich unter der Kapuze verbarg.
    Er kannte ihren Namen... "Meine
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