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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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um seine dürren Beine wehte. Ein schwarzer Bart wucherte wild um seine untere Gesichtshälfte, der im Gegensatz stand zu seinen zotteligen grauen Haaren.
    Zwischen den Barthaaren hervor quoll in regelmäßigen Abständen dieses monoton gesungene Wort, welches Kyrana hierher gelockt hatte. Sie schluckte aufgeregt. Magie, ja zweifellos. Dies war bestimmt ein besonders böser Magier, da war sie sich ganz sicher. Nun, da sie näher heran war, fiel ihr auf, dass jener in der anderen Hand ein Pergament hatte, welches er beschwörend gen Himmel hielt.
    Natürlich konnte sie nicht sehen, was darauf geschrieben stand, doch musste es irgendein Zauberspruch oder eine Magieformel sein. Aufgeregt duckte sie sich tiefer hinter die Büsche und versuchte, nicht zu atmen. Um keinen Preis wollte sie verpassen, was als nächstes geschah. Der Mann hielt inne und sah sich um. Sein Singsang war verstummt und die Stille, welche plötzlich eingetreten war, jagte Kyrana einen Schauer über den Rücken.
    Langsam bückte er sich, spreizte die Finger der leeren Hand weit auseinander und fuhr damit über das Gras um ihn herum. Dort, wo er die Halme berührt hatte, konnte man sehen, wie sie sich innerhalb eines Wimpernschlages bräunlich, dann schwarz verfärbten und schließlich verdorrt und leblos am Boden lagen. Seiner Hand folgend entstand so eine schwarze Spur toter Gräser.
    Das Mädchen schluckte und sah sich nach Akash um, ob dieser das auch gesehen hatte. Doch der Wolf hatte die Ohren angelegt und sein Nackenfell war drohend aufgerichtet, während er leise in die Richtung des Mannes grummelte. Erschrocken zuckte Kyrana zusammen und wandte sich wieder dem Magier zu. Jener stand plötzlich kerzengerade und starrte suchend ins Dickicht. Seine schwarzen Augen funkelten gefährlich.
    Das Papier hielt er noch immer empor, doch seine andere Hand schien zu qualmen. Noch bevor Kyrana begriff, was vor sich ging, umgab die düstere Gestalt ein Schleier aus schwarzem Rauch, welcher dichter und dichter zu werden schien. Ein Schmerzensschrei erfüllte die Luft und in Sekundenschnelle sackte der Körper des Mannes als schwarzes Häufchen Asche in sich zusammen.
    Das Pergament segelte unbeschadet zu Boden und Stille legte sich wieder über die Lichtung. Schockiert verharrte das Mädchen im Gebüsch und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die noch immer leicht dampfenden Überreste des Magiers. Ihre Knie zitterten, sodass sie Halt suchend nach einem Ast griff. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Hatte der Mann sich selbst vernichtet mit seiner Magie? Oder hatte der Zauber ihn zerstört, weil er unwürdig war?
    Vorsichtig machte sie einen Schritt aus dem schützenden Dickicht heraus und befahl ihren Beinen, vorwärts zu gehen. Weit umrundete sie den verkokelten Haufen und kam schließlich neben dem Pergament zum Stehen. Unschuldig lag es im Gras und ließ nicht erahnen, welche Kraft ihm inne wohnte. Die Finger fest auf dem Rücken verschlungen, beugte sie sich vor und betrachtete es.
    Dann stutzte sie und unwillkürlich fuhr ihre Hand zu ihrem Halsausschnitt, um den Anhänger der Kette zu berühren. Auf dem Papier war das gleiche Symbol zu sehen - nur dass es hier auf dem Kopf zu stehen schien! Gehetzt sah das Mädchen sich um. War jemand in der Nähe? Nein. So griff sie mit spitzen Fingern nach dem Pergament, rollte es zusammen und schob es eilig in die Tasche ihrer Robe.
    Was sie damit anfangen würde, wusste sie nicht. Hauptsache, sie hatte es bei sich. Mit einem letzten ungläubigen Blick auf das, mittlerweile erkaltete, Aschehäufchen, raffte sie ihren Saum empor und trat den Rückzug an. Der weiße Wolf folgte ihr in einigem Abstand, als sie durch den Wald heimwärts hetzte.
    *
    Schon als Kind hatte Kyrana lesen und schreiben gelernt. Jara und Vedyn war es wichtig gewesen, dass ihre Tochter nicht einfältig und ungebildet durchs Leben ging. So war es keineswegs verwunderlich, dass das Mädchen versuchte, herauszufinden, was es mit dem Symbol auf dem Pergament des Magiers auf sich hatte. Zum ersten Male dachte sie auch über die Bedeutung der Kette nach, welche Kelmar ihr zum zehnten Wiegenfeste geschenkt hatte.
    Wie hingen die Zeichen zusammen? Weshalb war jenes auf dem Papier umgedreht? Hatte es dadurch eine andere Bedeutung? Hatten die Symbole überhaupt eine Bedeutung? Und, wenn ja, wie hing das alles mit den Nachtwesen zusammen? Fragen über Fragen. Ihr Kopf schmerzte schon vom vielen Denken. An die Eltern konnte sie sich nicht
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