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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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auch nur ein Wort gesprochen wurde, zog jener unter seinem Umhang die Axt hervor und reichte sie ihr. Im Mondschein glänzte das Silber der Schneide hell auf und ließ erahnen, um welch kostbare Handwerkskunst es sich hier handelte. Der hölzerne Stiel war eher schlicht gehalten, lediglich einige seltsame Zeichen zierten ihn. Stille kehrte ein, als Kyrana die Waffe ergriff und sich dabei ehrfürchtig vor dem Obersten verneigte. Dann hob sie die Axt über ihren Kopf und sah auf die Menge der Anwesenden.
    Das Gemurmel erhob sich von neuem und schwoll langsam an. Arme wurden gehoben und Fäuste geschüttelt. Ganz ohne Frage war ein Jeder hier der Meinung, das gesprochene Urteil sei gerechtfertigt und müsse vollstreckt werden. Als die Stimmen wieder leiser wurden, senkte sie die Axt und schritt hoch erhobenen Hauptes den Steg entlang, dem Boot entgegen. Die Gasse, welche sich für sie geöffnet hatte, schloss sich hinter ihr.
    Vom Boden des Kahns erhob sich eilig ein Schiffsjunge. Diese Zusammenkunft düsterer Gestalten trieb ihm kalte Schauer über den Rücken - und so hatte er es vorgezogen, zusammengekauert zu warten, bis seine Dienste in Anspruch genommen würden. Nun reichte er der Dame artig eine schmutzige Hand hinauf, um ihr beim Einsteigen in das schwankende Boot behilflich zu sein.
    Ihre Finger waren kalt, ebenso wie der Blick ihrer hellen Augen. Dies trug nicht eben dazu bei, dass er sich wohler in seiner Haut fühlte. Als er sie berührte, fühlte er ein eigentümliches Ziehen in seinem Arm, zusammen mit einer plötzlich aufkommenden Schwäche. Hastig zog er seine Hand zurück und musterte die Dame erschrocken. Dann machte er sich eilends daran, das Boot los zu binden und die Ruder zu ergreifen.
    Kyrana nahm auf der kleinen Bank des Kahns Platz und verstaute sorgfältig die Waffe neben sich. Erst dann griff sie in die Tasche ihres Umhanges und entnahm ihr ihre spitzenbesetzten, schwarzen Handschuhe, welche ihr nach dem Überstreifen bis zu den Ellenbogen reichten. Ein kurzer Blick traf den Schiffsjungen, der sich bereit gemacht hatte, sie überzusetzen. Ein knappes Nicken von ihr und schon paddelte er los. Man sah ihm an, dass er froh sein würde, heil und vor allen Dingen schnell, das Schiff zu erreichen.
    Kerzengerade saß sie auf ihrem Platz, den Umhang um sich geschlungen, während ihre Haare im Wind tanzten. Am Ufer standen still versammelt die verhüllten Gestalten und sahen dem Boot nach, wie es kleiner und kleiner wurde.
     
    Ende des ersten Teils
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