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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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Gewand nieder, das dort frech ausgebreitet lag. Mit sehr viel Mühe gelang es ihr, den feinen Stoff nicht zu zerknüllen und in eine Ecke zu werfen. „Nur Geduld, Kyrana“, mahnte sie sich flüsternd. Es würde nicht mehr lange dauern, bis alle Sachen Niobes verbannt waren – ebenso wie diese selbst bereits. Schließlich schloss sie sehr leise wieder die Tür hinter sich und machte sich auf den Weg in die Bibliothek. Dies war ein Raum, der ihr vertraut war, an dem sie sich Kelmar nahe fühlte. Hier hatte damals alles seinen Anfang genommen.
    Nachdem sie die schwarzen Kerzen auf den Tischen angezündet hatte, rollte sie sich in einem Sessel zusammen und breitete ihren Umhang über sich aus – seinen Umhang, der längst der Ihre geworden war. Noch immer war er ihr zu lang und schleifte auf dem Boden, wenn sie ging. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie würde warten, wenn es sein musste nächtelang. Irgendwann würde er zurückkommen von dort, wo auch immer er gerade war. Und dann endlich würden sie vereint sein. Kyrana schloss die Augen und träumte sich in eine wunderbare Zukunft hinüber.
    *
    Aufdringliche Stimmen fraßen sich in ihre Träume und wollten nicht ablassen, sie ihnen zu entreißen. „Kyrana? Wo bist du?“ Träge öffnete sie die Augen und sah sich um. Kelmars Bibliothek. Mit einem Schlag kehrte die Erinnerung zurück, so dass sie aufsprang und in aller Eile die brennenden Kerzen ausblies. „Hier! Ich bin hier!“ Flink warf sie sich den Umhang über die Schultern und verließ das Zimmer.
    Die schwere Tür zur Eingangshalle war nur angelehnt, sodass sie das Gemurmel dort schon hören konnte. Als sie in die Halle trat, sahen ihr Merian, Lynn, Alyiena und Kayo entgegen.
    Niemand schien sich Gedanken darum zu machen, wie sie ins Haus gelangt war, sodass auch sie kein Wort darüber verlor. „Wir haben ihn gefunden“, tat Merian kund. Unendliche Erleichterung überkam sie und ließ ihre Beine für einen kurzen Moment weich werden. „Endlich! Wo ist er?“ In freudiger Erwartung glitt ihr Blick an den Vieren vorbei, dem Eingangsportal entgegen. „Hat er noch etwas zu erledigen?“ Das folgende Schweigen machte sie unsicher und ließ das freudige Strahlen auf ihrem Gesicht verschwinden.
    „Was ist geschehen? Ist er verletzt?“ Erschrocken flogen ihre Augen von einem zum Anderen. Was, wenn er doch von jemandem verschleppt wurde und man ihm etwas angetan hatte? Sie hatte sich nie darüber Gedanken gemacht, ob ein Nachtwesen überhaupt schwer verletzt werden könnte. Kleinere Wunden heilten beinahe ebenso schnell, wie man sie sich zugezogen hatte. „Sagt etwas!“ Merian trat vor und sah sie an. „Kelmar ist tot“, sprach er tonlos und seine Augen blickten kummervoll in ihre.
    *
    Den ganzen Weg über setzte sie mechanisch einen Fuß vor den anderen, gestützt von Kayos starkem Arm. Der Schock saß tief, denn sie wollte es nicht glauben. Wie könnte sie auch? Kelmar war nicht tot – es musste ein Irrtum sein! Vor ihrem inneren Auge sah sie doch sein Gesicht, seine Augen. Und hörte seine Stimme, wie sie weich zu ihr sprach. Sie fühlte seine Hand, die die Ihre hielt und sie sanft drückte...
    Nein, es war ganz sicher ein Irrtum! Die Höhle war eine von Unzähligen, wie es sie in den Hügeln des Westens gab. Sie war in keinster Weise besonders – und doch hatte sie mit der heutigen Nacht eine immerwährende Bedeutung erlangt.
    Als Kyrana eintrat, fiel ihr seltsamerweise zuerst die hohe Decke auf. Man konnte bequem aufrecht stehen. Rundum in kleinen Felsvorsprüngen klemmten Fackeln und beleuchteten matt das Innere. Der flackernde Feuerschein ließ zu, dass steinig unebener Boden und größere Steine zu erkennen waren, welche hier und da in kleinen Gruppen lagen.
    Im Hintergrund entdeckte sie in einer großen Lache aus angetrocknetem, schwarzem Blutes Kelmars Körper. Fast könnte man meinen, er schliefe nur. Doch als Kayo sie näher heranführte, wurde deutlich, dass der Kopf etwas weiter abseits lag. Dicht daneben schimmerte im Schein der Fackeln die silberne Schneide einer Axt, welche der Täter anscheinend achtlos hatte fallen lassen, nachdem er sein Werk vollendet hatte.
    Eisige Kälte griff nach Kyrana, während sie einfach nur stand und stumm auf den Körper hinab sah. Kein Laut fand über ihre Lippen – und auch die anderen Vier schwiegen. Schließlich, nach einer schier endlosen Zeit, trat Merian mit schweren Schritten vor und bückte sich, die Axt aufzuheben. „Morgen Nacht ist die
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