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Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising

Titel: Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
Autoren: Nicole Peeler
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Ryu. Er war wirklich toll.« Plötzlich spürte ich, wie müde ich war. »Hör zu, ich muss jetzt Schluss machen. Wir sehen uns morgen.«
    Sie wünschte mir eine gute Nacht, und ihre Stimme verriet, wie besorgt sie um mich war.
    Nachdem die letzten Lichtstrahlen des Tages am Himmel erloschen waren, machte ich mich auf den Weg zu meiner Bucht. Als Tracy mich gefragt hatte, ob ich okay war, war meine erste Intention gewesen, Ja zu sagen. Aber die letzten acht Jahre lang hatte ich mir selbst gesagt, dass es mir nie wieder gutgehen durfte. »Oh, Jason«, dachte ich, als ich unseren geheimen Ort betrat, eine verborgene Welt, in der
wir gelacht und uns geliebt und entdeckt hatten, auf eine Art und Weise, wie es nur wenige Menschen je erlebten. Durch Jason wusste ich, was Liebe war, und weil ich das wusste, wusste ich, wer ich war.
    Ich kniete mich in den Sand und schaute hinaus aufs Meer. Ich hatte die ganze Woche lang nicht an Jason gedacht, und ich hatte mich lebendig gefühlt. Trotz des ganzen Wahnsinns, der passiert war, hatte es Momente während meiner Reise mit Ryu gegeben, die zu den glücklichsten seit Jasons Tod zählten. Kaum hatte ich mir das eingestanden, machte sich der Splitter, der in jener schrecklichen Nacht hier in der Bucht in mir festgefroren war, wieder bemerkbar, und es fühlte sich an, als hätte ich Jason ein zweites Mal getötet.
    Heiße, schwere Tränen tropften mir von den Wangen. Ich wollte so verzweifelt endlich nach vorne schauen und wieder leben. Während der letzten Woche hatte sich ein Pfad für mich aufgetan. Ich musste nur mutig genug sein, ihm auch zu folgen. Und dennoch konnte ich im Moment an nichts anderes denken als an all das, was ich dann zurücklassen und dem ich mich stellen müsste. Ich sträubte mich dagegen, all die Gedanken zuzulassen, die ich sonst jeden Tag verdrängte. Meine Hände gruben sich krampfartig in den Sand, als die Erinnerung an Jason mich überflutete: wie wir in der Bucht Prinz und Prinzessin gespielt hatten und er mich vor dem großen Stück Treibholz »rettete«, das wir immer als Bank benutzten, wenn es in unserer Fantasie nicht zum Bösewicht mutierte; wie wir uns zum ersten Mal auf eine Weise küssten, die sich nicht anfühlte wie der Kuss zwischen Bruder und Schwester, und wie diese ersten
tastenden Küsse schließlich in einer Intimität mündeten, die zwischen zwei so jungen Menschen eigentlich gar nicht möglich sein sollte; wie wir in unserem Kummer zusammenhielten und erkannten, dass uns das Wissen zusammenschweißte, dass es im Leben keine Garantie gibt und keine Trostpreise. Aber trotz der Verluste, die wir damals schon verwinden mussten, hatte ich niemals damit gerechnet, dass auch er mir genommen werden könnte. Das war undenkbar gewesen - bis es passierte.
    Ich war so verzweifelt, dass ich nicht einmal versuchte, mein Schluchzen zu unterdrücken. Da hörte ich das Geräusch von großen Pfoten im Sand hinter mir. Ich war froh, dass mein Besucher als Hund gekommen war. In dieser Form kam ich besser mit ihm zurecht.
    Anyan setzte sich neben mich in den Sand, ließ mich jedoch in Ruhe, versuchte nicht, mich zu berühren oder irgendwie einzugreifen, bis ich mich völlig ausgeweint hatte. Nachdem sich das letzte bebende Schluchzen aus meiner Brust gelöst hatte und meine Tränen versiegt waren, sagte er schließlich: »Er würde wollen, dass du weiterlebst. Wenn er dich wirklich geliebt hat - und du weißt, dass er das hat -, dann würde er wollen, dass du weiterlebst.«
    Meine Kehle fühlte sich so zugeschnürt an wie in der Nacht, als Jarl mich angegriffen hatte. Ich hatte die verschiedensten Versionen dieses Satzes schon tausendmal gehört, von meinem Vater, von Grizzie, von Tracy, von meinen Ärzten und Krankenschwestern, von Seelenklempnern und sogar von irgendwelchen Fremden. Aber es aus Anyans Mund zu hören und die Art und Weise, wie er es sagte, riss die Barrieren ein, die ich über Jahre feinsäuberlich aufgerichtet hatte.

    Ich dachte daran, wie sehr ich Jason geliebt hatte. Ich liebte ihn nicht nur für das, was er mir gab, oder für das, was ich mir mit ihm aufbauen wollte, sondern weil Jason eben Jason war. Ich liebte ihn, weil er gütig und großzügig war und weil er so lebte, dass er andere mit seinem Glück ansteckte. Wenn ich gestorben wäre und Jason noch leben würde, dann hätte ich nicht gewollt, dass er sich ändert. Ich hätte gewollt, dass er glücklich ist. Weil er ein großartiger Mann war, und weil ich ihn liebte.
    Ich
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