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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition)
Autoren: Stefanie Gercke
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erfüllen zu können und damit Zeit zu gewinnen, den Schutt wegzuräumen und die Produktion wieder aufzunehmen. Und um alles zu vertuschen.
    Zwar war es ihm möglich, sich einige Partien zu sichern, doch die Nachricht von dem Unglück hatte sich wie ein Lauffeuer im Land verbreitet. Daher musste er Preise zahlen, die ihm die Tränen in die Augen trieben. Aber dafür würde er einige seiner wichtigsten Kunden beliefern können. Vorläufig wenigstens und auch nur teilweise, wie bei der Firma Bonamour & Sohn in München.
    Von all diesen Vorgängen ahnte Marcus nichts. Zu diesem Zeitpunkt drängte er sich mit seiner Verlobten im winterlichen München durch die Menschenmenge, um Berge von Weihnachtsgeschenken für die Kinder von Silkes Cousine zu kaufen. Der Schneesturm, der morgens die Stadt in eine weiße Märchenlandschaft verwandelt hatte, hatte sich gelegt, und Silkes zwitschernd guter Laune war es gelungen, Marcus’ Depression in die Schatten zu verbannen.
    Tagsüber war der Schnee zu einem hässlichen Matsch geschmolzen. Silke machte gerade einen Satz über eine vereiste Pfütze, rutschte dabei aus und fiel Marcus lachend in die Arme. Prompt ließ er die Einkaufstüten fallen, zog sie an sich und küsste sie mit einer solchen Hingabe, dass der Fluss der Passanten stockte.
    »Ich bin ein Eiszapfen«, murmelte Silke, noch immer mit ihren Lippen auf seinen. »Lass uns ins Luitpold gehen, Kaffee trin ken und das größte Stück Torte mit den meisten Kalorien essen, das die zu bieten haben. Vielleicht kriegen wir sogar einen Platz im Palmengarten.«
    Er lachte, ein warmes Glucksen tief in seiner Kehle. »Ich hätte da noch eine tolle Methode, dich aufzuwärmen«, flüsterte er.
    Silke rieselte ein wohliger Schauer über den Rücken. »Lustmolch«, kicherte sie albern. »Füttere mich mit Sahnetorte, und du kannst alles mit mir machen.«
    »Okay, dann nichts wie ins Luitpold. Je eher wir dort sind, umso schneller sind wir wieder weg.« Er grinste, ein augenblitzen des, freches Grinsen.
    Silke wurden die Knie weich. Schon bei ihrem ersten Zusammentreffen hatte sie sich in dieses Lächeln verliebt. Und in seine gold funkelnden, braunen Augen, den kräftigen Mund. In den Geschmack seiner Haut und die Berührung seiner Hände, die im mer sicher die Stelle fanden, wo sie gestreichelt werden wollte. Ihr Puls wurde schneller. Sie reckte sich hoch und küsste ihn.
    »Andiamo, ab ins Luitpold!«, gurrte sie.
    Marcus hob die Einkaufstüten hoch. »Holla«, sagte er, als sie ihm die Arme herunterzogen. »Scheint, als wäre unser Beutezug erfolgreich gewesen. Haben wir unser Soll denn schon erfüllt?«
    Silke überlegte. »Ein paar Sachen fehlen noch, aber die könnte ich natürlich auch im Internet bestellen.«
    »Doch da gibt’s keinen Glühwein, und es macht nicht halb so viel Spaß«, protestierte er. »Du weißt, welches Vergnügen mir das bereitet … Wenn wir erst selbst Kinder haben, dann …« Wieder dieses intime Grinsen.
    Silke jedoch durchfuhr ein scharfer Stich, und sie wurde aus ihrer euphorischen Stimmung gerissen. »Ach, so ein Mist!«, fiel sie ihm hastig ins Wort und sah weg, als sein Lächeln verrutschte. »Ich habe nasse Fuße bekommen, und nun sind sie zu Eisklumpen gefroren«, sprudelte sie heraus. Immer noch geflissentlich seinen Blick vermeidend, streckte sie ein Bein vor und betrachtete mit gespielt ärgerlicher Miene die Schneeränder auf den Stiefeln. »Ich muss mir unbedingt neue Stiefel kaufen. Overknee wären am besten.«
    Aber es gelang ihr nicht, die Kälte, die sich auf einmal in ihr ausgebreitet hatte, wegzureden. Sie stockte, sah sich wie in einer Blitzlichtaufnahme vor vierzehn Jahren in jener nüchternen Arztpraxis in England sitzen, drei kleine, weiße Tabletten vor sich auf dem Tisch aufgereiht, ein Glas Wasser daneben. Sie spürte wieder die Verzweiflung, die sie dorthin getrieben hatte, und gleichzeitig die pechschwarze Hoffnungslosigkeit, die von ihr Besitz ergriffen hatte, als ihr die Gynäkologin vor Kurzem eröffnet hatte, dass ihre Chancen auf eine Schwangerschaft äußerst gering seien.
    Wegen der Abtreibung damals, weil nach Einnahme der Tabletten nicht alles restlos abgegangen war und der Arzt eine Ausschabung vornehmen musste, hatte sie ihr erläutert. Da sei etwas schiefgegangen.
    Marcus wollte unbedingt Kinder haben – eine ganze Fußballmannschaft, wie er ihr lachend versicherte –, und sie hatte längst die Pille abgesetzt, aber bis heute hatte es nicht geklappt. Und bis
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