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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition)
Autoren: Stefanie Gercke
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schob die über den Parkplatz verstreuten Einkaufswagen zu einer lan gen Schlange ineinander und bugsierte die zur Wagenstation. Von Gefahren, die Gasansammlungen in einer Mine darstellten, hatte er noch nie etwas gehört.
    Früher trugen Bergleute Kanarienvögel im Käfig mit in die Grube, die sie vor Giftgasen warnen sollten. Fielen die Vögel tot um, war es höchste Zeit, den Stollen zu verlassen. Aber seitdem die Schächte von Neonlampen beleuchtet wurden und es elektrische Grubenlampen gab, waren die lebenden Warnanlagen über flüssig geworden. Paradoxerweise kostete Hector Mthembu jedoch tatsächlich ein elektrischer Funke das Leben sowie die Tatsache, dass zwischen ihm und seinem Kollegen Wiseman Luthuli ein ständiger Streit schwelte.
    Wiseman war zwar ohnehin ein Draufgänger, aber zunehmend unberechenbarer geworden, seit er vor Monaten angefangen hatte, Tik zu rauchen. Er ignorierte jegliche Vorschriften, besonders wenn Mädchen im Spiel waren. Und die umschwärmten den jungen Mann wie die Motten das Licht. Ständig brauchte er Geld. Viel Geld. Für Tik und für die Mädchen. Auch Hector hatte er schon angepumpt. Und natürlich keinen Cent zurückgezahlt. Doch neuerdings schien er überraschend flüssig zu sein, und Hector war sich sicher, dass er einer Gang angehörte, die für die vielen Überfälle in der Gegend verantwortlich war. Immer öfter erschien er einfach nicht zum Dienst oder verdrückte sich mit seiner Freundin in ein lauschiges Eckchen. Hector hatte es mittlerweile restlos satt, ständig für ihn einspringen und lügen zu müssen. Sowie sich die Gelegenheit ergab, würde er mit dem Minen manager über Wiseman sprechen.
    Der Eingang zum Schacht war heute, an einem Montag, mit einem soliden Eisentor verschlossen, weil die gesamte Belegschaft singend und tanzend – und mit Hackmessern, Speeren und Schuss waffen bewaffnet – zu einer Protestveranstaltung der Minenarbei tergewerkschaft gezogen war, um höhere Löhne zu erstreiten. Da Hector und Wiseman nicht der Gewerkschaft angehörten, waren sie vom Management zum Wachdienst eingeteilt worden. Sie verbrachten die Zeit im Schatten des Wachhäuschens, rauchten und tranken Bier, wobei sie ausgiebig über ihre Familien, die örtliche Politik und die Auswirkungen des Streiks auf ihre mageren Geldbeutel diskutierten.
    Nachmittags gegen vier Uhr erschien überraschend Wisemans neue Freundin. Seine Hand auf ihr ausladendes Hinterteil gelegt, verdrückte er sich sogleich mit einem erwartungsfreudigen Grinsen mit ihr hinter das Gebäude.
    Hector lehnte sich an die Hauswand und schloss die Augen. Ein merkwürdiger Schrei aus der Tiefe jenseits des Tores ließ ihn allerdings aufhorchen. Er rief nach Wiseman, der mit missmutigem Gesicht auftauchte und sich gar nicht erst die Mühe machte, seinen offen stehenden Hosenstall zu schließen. Hector erklärte ihm, was er gehört hatte.
    Wiseman aber winkte hastig ab. »Easy, Mann! Da wird nichts sein. Das Tor ist zu, da kommt nicht mal ’ne Maus rein. Und da drin gibt’s doch nichts zu holen.«
    Seine Freundin, die Hände über den bloßen Brüsten gekreuzt, streckte den Kopf um die Hausecke und rief kichernd nach Wiseman – was ihm das Leben retten sollte.
    Als Wiseman eiligst seiner Freundin wieder hinter das Gebäude folgte, stand Hector murrend auf, ergriff seine Taschenlampe, schloss den Personendurchgang auf und schob sich durchs Drehkreuz. Da er sich vor dunklen Löchern fürchtete, näherte er sich nur schrittweise dem gähnenden Maul des Mineneingangs, hielt sich am Torpfosten fest und spähte mit gerecktem Hals hinein.
    Kühle, erdig-feuchte Luft strich ihm aus dem Schlund des Schachts entgegen, aber in der undurchdringlichen Finsternis konnte er außer einer toten Fledermaus zu seinen Füßen absolut nichts erkennen, auch vernahm er kein weiteres Geräusch. Gar nichts. Erleichtert richtete er sich auf.
    Wiseman machte gerade eine weitere Flasche Bier auf, die Freundin kicherte, und Hector stellte sich seine junge Frau vor, ihre weichen Lippen, die Augen, die dunkel waren wie ihr schöner, wohlgerundeter Körper. Ihm wurde fast schwindelig vor Verlangen. Glücklicherweise war bald Feierabend.
    Nur die unerfreuliche Vorstellung, zur Verantwortung gezogen zu werden, sollte doch ein Schaden entstanden sein, bewog ihn, lieber auf Nummer sicher zu gehen. Er wandte sich wieder dem bodenlos erscheinenden Loch zu, knipste seine Taschenlampe an und drückte mit der anderen Hand den großen Hebel herunter,
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