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Nachts, wenn der Feuerteufel kommt

Nachts, wenn der Feuerteufel kommt

Titel: Nachts, wenn der Feuerteufel kommt
Autoren: Stefan Wolf
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Stolz
und vor Freude, obwohl es ihr peinlich war.
    Tarzan ging zur Theke.
    Das Telefon stand ganz am Ende,
bei der Durchreiche zur Küche. Hier wurde hantiert. Hier klapperten Geschirr
und Besteck. Hier gaben die Serviererinnen ihre Bestellung auf. Zum
Telefonieren war das ein etwas sonderbarer Platz. Freilich - wenn er leise
sprach, konnte niemand mithören.
    Er sagte dem dickbäuchigen
Wirt, daß er in der Stadt anrufen wolle. Der sah auf den Zähler, der die
Einheiten vermerkt, und schob Tarzan das Telefon hin.
    Die Rufnummer der Glockners
kannte er wie im Schlaf - mindestens so gut wie sein Geburtsdatum. Auch
Kommissar Glockners Anschluß im Polizei-Präsidium wußte er auswendig. Aber dort
brauchte er nicht anzurufen. Gabys Vater war bereits zu Hause und meldete sich.

    „Hier ist Tarzan. Guten Abend,
Herr Glockner.“ Er dämpfte die Stimme. „Wir sind von unserer Wanderung zurück, fast
jedenfalls. Aber bei Dengenbach... haben wir den Feuerteufel beobachtet. Ja,
den Feuerteufel. Mit einer Kerze wollte er seine eigene Scheune anzünden. Es
ist ein gewisser Fanhauser, ein Bauer aus Dengenbach. Jetzt sitzt er im
Gasthaus ,Drei Eichen.’ Wir sind am Nebentisch.“
    „Wie bitte, Tarzan? Höre ich
recht?“ Herr Glockner war verblüfft.
    Leise berichtete Tarzan, was
sie erlebt und beobachtet hatten. Abschließend sagte er: „Natürlich haben wir
die Kerze ausgepustet. Brennen kann also nichts. Ansonsten ist in der Scheune
alles unverändert.“
    „Bleibt, wo ihr seid, Tarzan!
Ich komme, so schnell es geht.“
    Tarzan legte auf, bezahlte das
Ferngespräch und ging zum Tisch zurück, wo Karl — halblaut und mit blitzenden
Augen — gerade einen klugen Vortrag begonnen hatte. Immerhin handelte es sich
um ein unverfängliches Thema. Fanhauser hätte mithören können, war aber ganz
auf seinen Schnaps ausgerichtet — und natürlich voller Erwartung darauf, daß
endlich jemand hereinstürmte und rief: „Fanhauser, deine Scheune brennt.“
    Pustekuchen! dachte Tarzan. Da
kannst du lange warten, Feuerteufel.
    Die Begegnung mit dem
kahlköpfigen Rutengänger war für Karl Anlaß, tief in die Kiste seines Wissens
zu greifen.
    „...war die Wünschelrute im
Mittelalter eine Art Zauberinstrument“ , sagte er gerade, „mit der man sogar
Verbrecher ermittelte: abergläubischer Blödsinn, natürlich. Hokuspokus — schon
was die Vorschriften für die Rute betraf. Sie mußte aus Haselnuß- oder
Weidenholz sein. Und durfte nur zu bestimmten Zeiten vom Baum oder Strauch
geschnitten werden: während der Christmette, in der Silvesternacht, in der
Dreikönigsnacht, am Palmsonntag oder zur Hexenzeit, also in der Walpurgisnacht.
Rutengänger waren in früheren Jahrhunderten hochangesehene Leute. Schließlich
hing von ihren Fähigkeiten ab, daß im Boden lagernde Schätze gefunden wurden:
Wasser, Öl, Erz. Besonders im Bergbau des 17. Jahrhunderts konnte man auf die
Rutler nicht verzichten. Wer sich allerdings irrte und unergiebige Gänge als
Erzgänge angab — sogenannte taube Gänge — , dem wurde die Tätigkeit verboten.
Ende des 17. Jahrhunderts gehörten die Rutengänger sozusagen zu den
Top-Managern des Bergbaus und genossen höchsten gesellschaftlichen Rang. Später
gerieten sie in Vergessenheit, da man neue geophysikalische Methoden zur Bodenuntersuchung
gefunden hatte. Heute hat sich das wieder geändert. Um Kosten zu sparen! Es
gibt weltbekannte pharmazeutische Konzerne, die erst einen erprobten
Rutengänger einsetzen, bevor sie irgendwo eine neue Fabrik errichten. Der
Rutengänger muß feststellen, ob es auf dem Gelände auch wirklich Wasser gibt.“
    „Nicht zu glauben, was in so
einer Astgabel steckt“, meinte Klößchen, der bereits an seiner Bratwurst kaute.
    „Hölzerne Ruten werden
heutzutage nicht mehr benutzt“ , fuhr Karl fort, „sondern Drahtschleifen, wie
du vorhin eine sehen konntest. Außerdem — die Rute ist eigentlich das
Unwichtigste an der ganzen Sache. Entscheidend bleibt die — man möchte sagen —
übersinnliche Wahrnehmungsfähigkeit des Rutengängers. Wenn der mit leeren
Händen und ausgestreckten Armen an der fündigen Stelle über den Boden geht,
spürt er, wie die Kraft des unterirdischen Wassers an seinen Armen zieht.
Rutenfühligkeit nennen das die Fachleute.“
    „Wozu wird dann die Rute
überhaupt noch benutzt?“ fragte Gaby.
    „Man muß das so sehen“,
erklärte Karl: „Der Rutengänger ist das Meßinstrument, die Rute die
Anzeigenadel — da sie ja ausschlägt. Sie verrät
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