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Nachts kommen die Fuechse

Nachts kommen die Fuechse

Titel: Nachts kommen die Fuechse
Autoren: Cees Nooteboom
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keinen Platz mehr, kein Wo, kein Wann. Aber laß mich beim Augenblick meines Todes beginnen, wenn er sich auch sicherlich nicht so abgespielt hat, wie ihr denkt. Einen überirdischen Lichtschein gab es jedenfalls nicht, sondern einfach nur einen Hotelbrand und die entsprechende Panik. Ein Flammenmeer, Angst, dann Rauch. Ich habe nicht gelitten, falls du das wissen willst, ich war betäubt, habe mich hinausgeschlichen, aus dem Leben, damit hatte das Ganze noch die größte Ähnlichkeit. Buchstäblich ein Übergang, aber ohne Drama. Ich erinnere mich an Verwunderung. In der nächsten Sekunde war ich bereits hier. Sekunde, hier, lang, solche Wörter mußt du mir nachsehen, sonst kann ich gar nicht zu dir sprechen.Eines mußt du wissen. Ich habe alles gehört, was du da in deinem Zimmer gedacht hast. Frag nicht, wie das möglich ist, wie aus Gedanken eine Stimme wird, es ist einfach so. Was zwischen uns war, hast du nie begriffen. Du hast die Lüge in Erinnerung behalten, die ich dir serviert habe. Frauen können gut lügen und Männer gut glauben. Wenn ich die Beziehung zu dir fortgesetzt hätte, dann hätte ich mich deiner essentiellen Abwesenheit ausliefern müssen. Hau. Aber das hat stets au bedeutet. Das, weswegen du allein in deinem Zimmer sitzt, hat es schon immer gegeben. Ich habe es sofort erkannt. Du bist nicht wesenhaft da für andere Menschen, etwas zwischen uns wäre eine totale Katastrophe geworden, die ich überlebt hätte, aber du nicht. Du mußtest leben, um nicht dazusein, oder du mußtest dasein, während du nicht da warst, solche Menschen gibt es. Wesenhaft meine ich wörtlich, ich habe Wörter immer geliebt. Wesen und Sein, das liegt ganz nah beieinander. Diese Reise durch die Sahara war einer der Höhepunkte meines Lebens, das kann ich jetzt ohne Übertreibung sagen. Dieses eine Mal, als wir miteinander schliefen, da mußte ich dich in dem Wahn lassen, es sei für mich ein flüchtiger Augenblick gewesen. Was hatte ich gleich noch mal gesagt? Etwas von einer geste rendue . Vergiß es, oder vergiß es lieber nicht, das sind die Strategien, wie man mit dem Unmöglichen umgeht. Die Glut nach innen war so barbarisch, im Vergleichdazu war das Sterben später nichts. Du hast nichts davon gemerkt, darin sind Männer Meister. Jetzt denkst du, ich übertreibe, aber ich habe nicht den geringsten Grund mehr, etwas zu übertreiben, nicht hier, wo ich bin, und bei dem, was ich gerade tue. Wo, ich kann mir diese Sprache noch nicht abgewöhnen. Der Nicht-Ort, an dem ich bin. So besser? Wenn ich mich nicht täusche, bin ich dabei, mein Leben abzuschließen. Merkwürdig, daß es nur auf diese Weise geht. Und dabei habe ich auch noch das Gefühl, ich müsse mich beeilen. Ich sehe keine Farben, täte ich es, würde ich wohl erkennen, wie sie langsam schwächer werden. Ich habe dich maßlos bewundert. So. Ich liebte den ganzen Haufen, Dodo vielleicht noch am meisten, aber eigentlich alle. Ungreifbare Menschen, keine Desperados, und trotzdem. Sie waren nur lose mit der Welt verbunden, mit ein wenig Anstrengung hielten sie sich, allerdings nicht aus Leidenschaft. Ich habe euch immer sehr genau beobachtet. Dein Zenkloster habe ich schon ewig kommen sehen. Verzeih mir, wenn ich das sage, aber als Lebender gleichst du vielleicht noch am meisten einem Toten, so als würdest du diesem Zustand vorgreifen. Alles weg, weiße Wände. Ich habe keine Augen, aber ich kann es sehen, ich hoffe, du erträgst dieses Paradox. Das Foto von mir kann ich ebenfalls sehen. Das ist nicht schmerzlich, weckt aber doch eine große Sehnsucht. Hau-hau, ich hörees auch, wenn du das denkst. Ich wußte, damals, daß ich dich damit bezaubern kann. Dich und Dodo. Ich hatte ein Verhältnis mit Dodo, das hat keiner von euch gewußt. Bei ihr konnte ich mich von all den Männern erholen. Ja, auch von dir, obwohl es bei dir anders war. Dich mußte ich gehen lassen. Ich habe gesagt, ich glaube , daß niemand von euch es gewußt hat, aber der Schriftsteller hatte wohl doch eine Ahnung. Der sah auch viel. Dich vor allem. Ich hatte immer Angst, er würde über dich schreiben. Er speicherte, oder wie sagt man das, er sammelte. Die ganzen Jahre über wartete er auf sein Buch, und währenddessen beobachtete er. Wenn man selbst jemand ist, der beobachtet, dann weiß man das. Als ich dieses Verhältnis mit Wintrop hatte, sah ich, wie der Schriftsteller alles mitverfolgte, es fehlte gerade noch, daß er es in unserem Beisein aufschrieb. Aber ich fand einmal eines der
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