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Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Titel: Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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Mutter ist schon Jahrhunderte alt. Ein Teil von dir wird in ihr noch vorhanden sein, Letty.«
    »Das ist sehr schön.«
    Letitia schloss die Augen und täuschte tiefe, regelmäßige Atemzüge vor.
    Wenn es Ann einfallen sollte, die Decke nur wenige Zoll weit zurückzustreifen, würde sie Letitias Schwindel entdecken.
    Aber Ann verfiel nicht auf diesen Gedanken. Auf Zehenspitzen verließ sie das Zimmer und löschte das Licht.
    Letitia hörte, wie sie draußen sagte: »Letty schläft fest. Du brauchst die nicht zu bewachen. Es genügt, wenn wir sie einschließen.
    Letitia hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde. Kurz darauf stieg sie lautlos aus dem Bett, huschte zum Fenster und öffnete es wieder. Letitia hängte sich die Kette mit dem Kreuz um den Hals. Sie schaute hinaus in die Nacht. Es war gegen Mittemacht. Letitia wusste, dass sie fliehen musste, wenn sie noch eine Chance haben wollte.
    Diejenige Seite des Hauses, auf der ihr Zimmer lag, war von Efeu überwuchert. Letitia beugte sich aus dem Fenster und prüfte die Festigkeit der Ranken. Das Zimmer befand sich im zweiten Stock.
    Wenn Letitia abstürzte, konnte sie sich schwer verletzen oder gar den Hals brechen. Aber das war immer noch besser, als dem Teufel anheimzufallen. Letitia zögerte. Sie musste ihren ganzen Mut zusammennehmen, um auf die Fensterbank zu steigen und aus dem Fenster zu klettern.
    Letitia hatte einiges hinter sich. Die Nachwirkungen des Teufelstranks setzten ihr zu. Sie hielt sich an den Efeuranken fest und stieg an der Hauswand hinunter. Trotz der kühlen Nachtluft brach Letitia bald wieder der Schweiß aus. Sie blieb mit ihrem Kleid hängen und musste es lösen.
    Dabei wäre sie beinahe abgestürzt. Endlich gelangte sie auf den Boden, lehnte sich gegen die Mauer und war heilfroh, wieder auf festem Grund stehen zu können. Sie konnte sich aber nicht lange aufhalten, sondern musste schleunigst fort, denn man konnte ihre Flucht entdecken.
    Letitia schlich am Haus entlang und blieb immer im Schatten. Sie hatte entsetzliche Angst, der Teufel selbst würde plötzlich hervortreten und sie an der weiteren Flucht hindern. Nach dem, was sie bei den Mortons erlebt hatte, hielt Letitia alles für möglich.
    Sie war noch nicht so weit, dass sie völlig klar denken konnte. Immer wieder schoben sich wirre Bilder vor ihren Geist, hörte sie die Gesänge und Litaneien der Satansanbeterinnen in ihrer Phantasie und sah sie die funkelnden Augen der alten Helen.
    An der Rückseite des großen Hauses war überhaupt kein Fenster mehr beleuchtet. Letitia versuchte krampfhaft, sich zu orientieren. Sie löste sich aus dem Schatten und lief quer durch den verwilderten Garten zu der rückwärtigen Mauer.
    Dabei schlug Letitia einen Bogen um den Satanstempel, dem sie am Vormittag des vergangenen Tages einen Besuch abgestattet hatte. Um keinen Preis der Welt hätte sie jetzt dorthin gewollt, wo – davon war sie überzeugt – der Teufel präsent war.
    Es war dunkel in dem verwilderten Garten. Büsche schienen mit ihren Ästen nach Letitia zu greifen wie Geisterfinger. Ihr rechtes Fußgelenk, um das sie den vom Duschen feuchten Verband trug, schmerzte. Als Letitia auf dem weichen Boden einmal umknickte, hätte sie beinahe leise aufgeschrien.
    Sie verbiss sich den Schmerz. Er hatte aber auch den Vorteil, dass er ihr Bewusstsein klärte.
    Letitia vergaß ihre Erschöpfung. Sie gelangte unter Büschen und Bäumen zu der rückwärtigen Mauer, die immerhin dreieinhalb Meter hoch war. Um hinüberzugelangen, kletterte Letitia auf eine Eibe, die bei der Mauer wuchs.
    Als Mädel war Letitia ein rechter Wildfang gewesen. Auf Bäume hatte sie klettern können wie ein Junge. Sie konnte es auch jetzt noch. Sie konnte über die Mauerkrone schauen und musste feststellen, dass oben Glasscherben einbetoniert waren.
    Letitia zog ihre Jacke aus und legte sie über die Scherben. Der kühle Nachtwind ließ sie frösteln. Letitia spähte und lauschte zum Haus zurück, voller Angst, ihre Flucht könnte schon entdeckt sein. Das »Haus der sinkenden Sonne« mit seinen Giebeln und Erkern ragte wie ein finsterer, drohender Klotz auf. Eine unheimliche Atmosphäre der Gefahr strahlte von diesem Haus aus.
    Kein verdächtiger Laut war zu hören.
    Letitia stieg vom Ast auf die Mauer. Sie passte auf, dass sie sich nicht an den Glasscherben verletzte. Die zusammengelegte Jacke schützte sie. Letitia gelangte hinüber, ließ sich an der Mauer herabbaumeln, löste, indem sie sie schwenkte, mit einiger
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