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Nachtengel

Titel: Nachtengel
Autoren: Danuta Reah
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schmutzigen Laken legte sie obendrauf und behielt einen Satz Laken und Handtücher zurück. Wieder die Treppe hinunter, um die Laken auf den Fußboden zu werfen. Die Tür schließen oder sie offen lassen? Ihre Tasche und ihr Mantel waren hinten in der Küche. Sie zögerte einen Moment, dann trat sie wieder ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie ging zu den Glastüren und öffnete die Verriegelung. Sie würde sie nicht hinter sich schließen können. Dann war sie im Hof, kam an den Mülleimern vorbei, ging die Straße entlang zum nächsten Hof, an weiteren Mülleimern entlang zur Hintertür, die sie aufstieß. Niemand weit und breit. Sie packte ihren Mantel und ihre Einkaufstasche, nahm sich nicht die Zeit, ihre Straßenschuhe anzuziehen, und eilte die Straße zur Bushaltestelle hinunter. Dem ersten Bus, der vorbeikam, winkte sie und atmete erst auf, als er um die Ecke bog und die Einkaufsstraße entlangfuhr.
    Sie sah das Gesicht der Frau vor sich. Und Krischas Puppe, die zertreten am Boden lag. Soldatenspielzeug. Es kam ihr so vor, als rieche die Luft nach einem verloschenen Feuer. Ich muss laufen, laufen.

3
    Roz fand die Besprechung langweilig, obwohl sie entscheidend war. An ihrer Arbeit interessierte sie die Forschung, und obgleich die finanziellen Mittel sehr wichtig waren, teilte sie nicht Joannas Vorliebe für Überzeugungsarbeit und Verhandlungen, die für die Finanzierung erforderlich waren. Sie unterdrückte ein Gähnen und sah zu Luke hinüber, der sich auf seinem Stuhl zurücklehnte, den Blick gesenkt hielt und gelegentlich etwas auf seinen Notizblock kritzelte. Er wirkte ebenfalls unkonzentriert. Roz beobachtete Joanna bei ihrer Präsentation. Sie stellte die finanzielle Lage und die Forschungsarbeit des Teams dar, legte ihre Vorschläge für Neueinstellungen vor und vermied bewusst alle Bereiche, in denen es nicht ganz so gut aussah. Joanna machte ihre Sache gut. Sogar besser als gut. Niemand, der ihr zuhörte, hätte geglaubt, wie angespannt sie vor Beginn des Meetings gewesen war. Sie war erst fünf Minuten vor neun eingetroffen, weil sie Gemma abholen wollte. Offenbar hatten sie dies am Mittwoch vereinbart, damit Gemma ihr noch vor dieser wichtigen Besprechung einen Kurzbericht über das Ergebnis ihrer Fahrt nach Manchester geben könnte. Aber Gemma hatte nicht aufgemacht und Joanna hatte bei dem Versuch, sie zu wecken, Zeit verloren, bis ihr klar wurde, dass Gemma nicht da war.
    Roz runzelte die Stirn. Unzuverlässigkeit war untypisch für Gemma. Und was noch schlimmer war, sie hatte nicht angerufen, sondern nur am Abend zuvor eine E-Mail geschickt. Joanna hatte sie gesehen, als sie vor der Konferenz ihre Post daraufhin überprüfte, ob es kurzfristige Änderungen gab oder jemand verhindert war.
    Bitte entschuldige, dass ich morgen nicht zum Meeting kommen kann. Ich habe eine Panne und werde in Manchester übernachten. Ich melde mich, sobald ich wieder in Sheffield bin.
    Gemma.
    Joanna war ausgerastet. Dann hatte sie alles auf später verschoben und mit Roz schnell die Strategien für das Meeting durchgesprochen.
    Roz betrachtete die anderen Konferenzteilnehmer eingehend, während der Vertreter des Universitätskomitees für Zuschüsse seine Ausführungen herunterleierte. Da war Peter Cauldwell, offiziell Joannas Vorgesetzter, der ihr skeptisch lächelnd zuhörte. Was immer Joanna vorschlagen mochte, Cauldwell würde dagegen sein. Er und Joanna waren in der Vergangenheit zu oft aneinander geraten, um ein gutes Team bilden zu können. Für Joanna hatte ein Vorhaben Priorität: Die Gruppe dem Einflussbereich Cauldwells zu entziehen, so schnell sie konnte. Dann war der Vertreter des Finanzierungskomitees da. Er hatte es in der Hand, Joanna jetzt sofort, noch heute, zu stoppen, wenn sie ihn nicht überzeugen konnte. Außerdem war noch der Vertreter des Academic Board anwesend, der Mittelbewilligung, dessen Unterstützung in dieser frühen Phase sehr wichtig war, und schließlich ein Vertreter des Vizekanzlers. Wie Luke neulich gesagt hatte: »Alle hohen Tiere der Uni sind da, um mitzuerleben, wie Grey dem Cauldwell das Fell über die Ohren zieht.« Ihre Blicke trafen sich über den Tisch hinweg, und sie fühlte den kindischen Impuls zu lachen.
    Peter Cauldwell gab mit gedämpfter Stimme eine vernünftige Erklärung dazu ab, wieso Joannas Plan, der die Selbständigkeit der Law-and-Language-Gruppe vorsah, Zeitverschwendung und eine Vergeudung wertvoller Mittel sei. »Es gibt überall im Land
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