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Nachte des Sturms

Nachte des Sturms

Titel: Nachte des Sturms
Autoren: Roberts Nora
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also, wenn sie einander anscheinend nicht im Mindesten verstanden?
    »Jeder Mann hat seinen Stolz«, bemerkte der plötzlich neben ihm sitzende Carrick.
    Shawn bedachte ihn mit einem unfreundlichen Blick. »Falls es dir nichts ausmacht – ich habe gerade eine persönliche Krise.«
    »Sie hat deinen Stolz verletzt, und ich kann es dir nicht verübeln, dass du dich dagegen wehrst. Eine Frau sollte wissen, wo ihr Platz ist, und wenn sie es nicht weiß, dann muss man ihn ihr zeigen.«
    »Es geht hier nicht um irgendeine Platzverteilung, du arroganter Pinkel.«

    »Lass deine Wut bitte nicht an mir aus, Junge«, erwiderte Carrick vergnügt. »Ich bin auf deiner Seite. Sie hat eine Grenze überschritten, das steht völlig außer Frage. Himmel, was hat sich das Frauenzimmer nur dabei gedacht, etwas, was dir gehört, derart eigenmächtig zu missbrauchen? Auch wenn du es ihr praktisch geschenkt hattest. Aber das war schließlich eine reine Formsache.«
    »Eine reine Formsache.«
    »Was denn sonst? Und als wäre das nicht bereits dreist genug gewesen, geht sie noch einen Schritt weiter und sorgt heimlich dafür, dass du den Abend frei hast –«
    »Sie hat Aidan dazu gebracht, mich heimzuschicken?« In Ermangelung einer befriedigenderen Möglichkeit, seinen Ärger abzureagieren, warf Shawn einen dritten Stein vom Rand der Klippe. »Ich wusste doch genau, dass da etwas nicht stimmt. Verdammt!«
    »Sie versucht dich zu manipulieren.« Carrick schleuderte den kleinen Stern, der an seinen Fingerspitzen klebte, über das Wasser, wo er eine silbrige Lichtspur hinterließ. »Sie kocht dir eine Mahlzeit, deckt möglichst hübsch den Tisch und macht sich sorgfältig zurecht. Ein hinterhältigeres Weibsbild habe ich noch nie erlebt. Gut, dass du sie los bist. Vielleicht solltest du doch noch einmal einen Blick auf ihre Schwester werfen. Sie ist jung, aber lenkbar, meinst du nicht?«
    »Ach, halt die Klappe.« Shawn stand auf und ging, gefolgt von Carricks fröhlichem Gelächter, stirnrunzelnd davon.
    »Gallagher, du steckst bis zum Hals im Schlamassel.« Carrick schickte einen zweiten Stern über das Meer. »Du hast dich noch nicht damit abgefunden, trotzdem ist es so. Ich frage mich, weshalb ihr Sterblichen die Hälfte der Zeit lieber leidet als fröhlich zu sein.«

    Wieder winkte er beinahe lässig, und plötzlich lag ein reiner, durchsichtiger Kristall in seiner Hand. Er strich sanft darüber und betrachtete das im Inneren der Kugel schwimmende Bild. Sie war wirklich hübsch, mit Augen, so sanft und grün wie taubenetztes Gras und Haaren in der Farbe der winterlichen Sonne.
    »Ich vermisse dich, Gwen.« Er drückte das Glas kurz an sein Herz und befahl dem weißen Pferd, ihn wie jede Nacht hinauf zum Nachthimmel zu tragen. Und ebenfalls wie jede Nacht war er auch jetzt allein.
     
    Das Haus war leer, als er zurückkam, doch das hatte er erwartet  – wie er sich sagte –, auch erhofft. Endlich war er allein.
    Zu seiner Überraschung hatte sie die Küche, ehe sie gegangen war, sorgfältig aufgeräumt. Da er ihren Jähzorn kannte, hätte er angenommen, sie mache ihrem Ärger Luft, indem sie Töpfe, Pfannen und alle anderen Dinge durch die Gegend warf.
    Doch es herrschte eine tadellose Ordnung, und nur noch der schwache Duft des Kerzenwachses erinnerte daran, dass sie überhaupt dagewesen war. Plötzlich fühlte er sich wie ein Flegel. Er nahm sich ein Bier und ging hinüber in das kleine Wohnzimmer.
    Eigentlich hatte er sich vor den kalten Kamin setzen wollen, um weiterzugrübeln. Aber, bei Gott, wenn er schon zu einem freien Abend gezwungen worden war, dann er sollte ihn doch auch genießen.
    Also setzte er sich ans Klavier, legte die Finger auf die Tasten und spielte zu seinem eigenen Vergnügen ein paar leise Melodien.
    Brenna hörte, als sie zurückkam, das Lied, das er ihr geschenkt hatte. Ihre erste Reaktion war Erleichterung darüber,
dass er wieder daheim war. Die zweite war Elend, weil die Melodie sie schmerzte wie Salz in einer frischen Wunde.
    Doch diesem Elend konnte sie nicht ausweichen. Sie versuchte das Gartentor zu öffnen, aber es widerstand dem Druck. Sie rüttelte und zerrte an dem Riegel und trat, als nichts geschah, schockiert und panisch einen Schritt zurück.
    »Oh.« Sie schluchzte leise auf. »Oh, Shawn. Hast du mich wirklich ausgesperrt?«
    Die Musik verebbte, und in der folgenden Stille kämpfte sie verzweifelt gegen die aufsteigenden Tränen. O nein, sie würde ihm nicht weinend gegenübertreten. Als
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