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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper
Autoren: Glen Cook
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einen weiteren Speer in die Rinne. Wumpf! Dieses Geschoß durchbohrte den Hinker zur Gänze. Er fiel. Die Hunde gingen ihm
an die Kehle.
Ich kriegte allmählich wieder Luft. Ich hielt nach meinem Schwert Ausschau. Undeutlich hörte ich Gekreische aus einem Brombeergebüsch, das zweihundert Fuß weiter im Norden an einem Graben wucherte. Knurrend lief dort ein einzelner Hund auf und ab. Asa. Er war in die einzige verfügbare Deckung abgetaucht.
Ich kam wieder auf die Beine. Der Dicke half Einauge beim Aufstehen und griff sich dann eine herumliegende Waffe. Wir drei rückten gegen den Hinker vor. Er lag im Matsch auf der Seite, leicht verkrümmt und mit herabgefallener Maske, so daß wir das verwüstete Gesicht sehen konnten, das sie verborgen hatte. Er konnte nicht glauben, was hier geschah. Schwach winkte er die Hunde fort.
»Alles umsonst«, sagte ich zu ihm. »Die Papiere sind schon seit Monaten nicht mehr hier.« Und der dicke Mann sagte: »Das ist für meinen Bruder.« Er schwang seine Waffe. Er war so zerschlagen und steif, daß er nicht mehr viel zuwege brachte.
Der Hinker versuchte zurückzuschlagen. Er hatte keine Reserven mehr. Er begriff, daß er sterben würde. Nach all den Jahrhunderten. Nachdem er die Weiße Rose und den Zorn der Lady überlebt hatte, als er sie bei der Schlacht von Rosen und im Wolkenwald verraten hatte.
    Seine Augen verdrehten sich nach oben, und er fiel in Trance.
Ich wußte, daß er nach Mamas Hilfe schrie. »Tötet ihn rasch«, sagte ich. »Er ruft die Lady.« Wir hackten und schlugen und schlitzten. Die Hunde knurrten und bissen und rissen. Er wollte einfach nicht sterben. Selbst als wir keine Kraft mehr hatten, blieb noch ein Le- bensfunke in ihm.
»Kommt, wir schleifen ihn nach vorne.«
Was wir auch taten. Und ich sah Shed, der neben Männern am Boden lag, die einst Brüder in der Schwarzen Schar gewesen waren. Ich spähte durch das nachlassende Licht und sah Schweiger näher kommen, gefolgt von Hagop und Otto. Ich empfand eine dumpfe Freude. Seit ich mich an sie erinnerte, waren die beiden die besten Freunde gewesen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß der eine ohne den anderen am Leben blieb. »Bullock ist erledigt, ja?«
Der dicke Mann sagte: »Ja. Er und dieser Shed, Die hättest du sehn sollen. Sie sind auf die Straße gesprungen und haben den Zauberer vom Pferd gezogen. Bullock hat ihm den Arm abgehackt. Die beiden haben vier Mann getötet.« »Bullock?«
»Jemand hat ihm den Schädel gespalten. Als ob’n Fleischerbeil durch ‘ne Melone geht.« »Kingpin?«
»Wurde totgetrampelt. Aber hat noch was ausgeteilt.« Ich hockte mich neben Shed. Einauge tat das gleiche. »Wie haben sie dich erwischt?« fragte ich den Gastwirt. »Zu fett zum Laufen.« Er brachte ein schwaches Lächeln zustande. »War nie nich’ zum Sol- daten gemacht.«
Ich lächelte. »Was meinst du, Einauge?« Ein Blick hatte mir gezeigt, daß es nichts gab, was ich für Shed tun konnte.
Einauge schüttelte den Kopf.
Goblin sagte: »Zwei von denen sind noch am Leben, Croaker. Was sollen wir mit ihnen ma- chen?«
»Bringt sie rein. Ich flicke sie nachher zusammen.« Sie waren Brüder. Daß die Unterworfenen sie umgedreht und zu Feinden gemacht hatten, hieß nicht, daß sie meine Hilfe dadurch weniger verdienten. Schweiger näherte sich und blieb hoch aufgerichtet im Dämmerlicht stehen. Mit den Fingern sagte er: »Ein Manöver, das des Hauptmanns würdig gewesen wäre, Croaker.«
    »Schon recht.« Ich hatte die Augen auf Shed gerichtet. Ich war gerührter, als ich es meiner
Ansicht nach hätte sein sollen.
Vor mir lag ein Mann. Er war so tief gesunken, wie jemand nach meiner Erfahrung nur sin- ken konnte. Dann hatte er sich wieder zurückgekämpft und war etwas wert geworden. Ein viel besserer Mann als ich, denn er hatte seinen moralischen Polarstern gefunden und seinen Kurs danach ausgerichtet, obgleich es ihn das Leben gekostet hatte. Vielleicht hatte er seine Schuld ein klein wenig zurückgezahlt.
Und noch etwas hatte er vollbracht, als er in einem Kampf getötet wurde, den ich nicht als den seinen ansah. Er war eine Art Schutzheiliger für mich geworden, ein Beispiel für die Zu- kunft. In seinen letzten Tagen hatte er einen hohen Maßstab gesetzt. Vor dem Ende schlug er noch einmal die Augen auf. Er lächelte. »Haben wir es geschafft?« fragte er.
»Wir haben es geschafft, Shed. Dank dir und Bullock.« »Gut.« Immer noch lächelnd schloß er die Augen. Hagop brüllte: » He, Croaker. Was willst du mit
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