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Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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flog nicht bis zur Wand zurück.
    Ich spürte, wie das Holz auf Fleisch und Knochen traf, auf einen festen, massigen Körper, der keinen Millimeter nachgab.
    Ich fasste den 45er mit beiden Händen, richtete ihn auf den riesigen schwarzen Schatten hinter der Tür und legte den vor Schweiß glitschigen Finger um den Abzug.
    Ich wollte nicht wahrnehmen, was ich da sah. Den nackten Mann nicht, der kopfüber vor mir hing. Und auch nicht, was man ihm angetan hatte.
    Der Zaundraht, der um seine Knöchel geschlungen und an einem Dachbalken befestigt war, schnitt so tief ins Fleisch, dass er kaum noch zu sehen war.
    Helen kam hereingestürmt, hatte die Schrotflinte nach vorn gerichtet. Sie senkte sie und schaute auf den von der Decke hängenden Mann.
    »O Mann«, sagte sie. Sie stieß einen Fensterladen auf, räusperte sich und spie aus. Dann schaute sie zu mir und stieß den Atem aus. Ihr Gesicht war fahl, so als habe sie zu lange in kaltem Wind gestanden. »Ich glaube, der hat sein Teil gekriegt«, sagte sie. Dann presste sie den Handrücken an den Mund und ging wieder zum Fenster. Doch diesmal nahm sie sich zusammen, und als sie sich umdrehte, wirkte sie wieder gefasst.
    »Komm mit, wir können ihn noch schnappen«, sagte ich.
    Der Mann von der Mordkommission und zwei Deputys in Uniform warteten auf uns am Fuß der Leiter.
    »Was ist da droben los?«, fragte der Zivilfahnder. Er versuchte uns etwas am Gesicht abzulesen. »Was denn, ist das so was wie ein Betriebsgeheimnis?«
    »Schaun Sie’s sich selber an. Aber passen Sie auf, wo Sie hintreten«, sagte Helen.
    »Crown hat Mookie Zerrang umgebracht. Er kann noch nicht weit weg sein«, sagte ich.
    »Der is’ überhaupt nicht weg«, sagte der dritte Deputy, der von der anderen Seite der Bucht auf uns zugewatet kam. »Schaut mal zu der Schlammbank da drüben.«
    Wir starrten zwischen den Bäumen hindurch zu einem trockenen Stück Land aus angeschwemmtem Schlick, das wie ein Walbuckel aus dem Wasser ragte. Es war mit Zwergpalmen überwuchert, kreuz und quer von Nutriafährten durchzogen, und mitten im Gras und Gestrüpp kauerte Aaron Crown und rauchte eine selbst gedrehte Zigarette.
    Wir wateten mit gezogenen Waffen zu ihm hin. Er nahm keine Notiz von uns, zeigte keine Regung.
    Seine Kleidung und sein ganzer Körper, vom Scheitel bis zu den schlammverkrusteten Turnschuhen, waren voller Blut. Sein Gesicht wirkte wie eine scharlachrote Maske, als er uns die Augen zuwandte, aus denen all die Hitzigkeit und unbändige Energie gewichen waren, die ihn ein Leben lang umgetrieben hatten. Wir umringten ihn, hatten die Waffen auf den Boden gerichtet. Der Rauch, der aus seinem Mundwinkel drang, hing wie ein Fetzen Baumwolle in der feuchten Luft.
    »Wissen Sie über Sabelle Bescheid?«, fragte ich.
    »Der da drüben könnt von nix anderm mehr reden, eh er gestorben is’«, erwiderte er.
    »Sie sind von Grund auf böse, Aaron Crown«, sagte ich.
    »Ich seh das andersrum.« Er zerrieb die heiße Zigarettenasche zwischen seinen Fingern, bis die Glut ausging. »Wenn die Fernsehleute da drüben sind, muss ich mich waschen.«
    Er blickte zu uns auf und schaute uns fragend an.

37
    Am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages saß ich in der Küche und schaute mir ein Foto im
Daily Iberian
an, das Buford und Karyn LaRose beim gemeinsamen Tanz im Country Club zeigte. Sie sahen aus, als sei ihnen ewiges Leben beschieden.
    Bootsie blieb hinter mir stehen und legte mir die Hand auf die Schulter.
    »Worüber denkst du nach?«, fragte sie.
    »Über Jerry Joe Plumb ... Kein Journalist wird ihn jemals in Verbindung mit ihnen nennen, aber er hat ihretwegen büßen müssen.«
    »Er war auch kein Unschuldslamm, Dave.«
    »Mag sein.«
    Das Fenster war offen, und ein milder Wind wehte von der Weide meines Nachbarn und bauschte die Vorhänge über der Spüle. Ich goss mir eine Tasse Kaffee mit heißer Milch ein und ging hinaus in die Sonne. Alafair saß an dem Picknicktisch im Garten, hatte Tripod auf dem Schoß und hörte die Kassette mit den Aufnahmen von Jerry Joes Platten. Sie warf Tripod auf den Rücken, ließ ihn sacht am Schwanz baumeln, während er sich mit den Vorderpfoten an ihrem Unterarm abstieß.
    »Danke für die vielen Geschenke«, sagte sie. »Ein klasse Weihnachten.«
    »Gleichfalls danke für alles, was du mir geschenkt hast«, sagte ich.
    »Kann Tripod noch ein bisschen Sahneeis kriegen?«
    »Klar.«
    »Die Widerlinge sind wir los, was?«
    »Ja, die schlimmsten jedenfalls. Die anderen
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