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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers
Autoren: Andreas Weinek
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ganz heiße Spur aufzutun. Es war das Jahr 1946, sozusagen frisch nach dem zweiten Weltkrieg. Damals gab Roger Lhomoy, der Gärtner und Touristenführer der Burgruine von Gisors – 40 km nordwestlich von Paris – an, dass er bei geheimen Grabungen unter dem Burgturm auf eine Kapelle gestoßen sei, in der er 30 Schatztruhen oder Koffer aus kostbarem Metall entdeckt habe. Die Kapelle sei der Heiligen Katharina geweiht gewesen; zudem würden sich in ihr neben den Schatztruhen auch 19 Sarkophage mit verstorbenen Würdenträgern des Templerordens befinden. Zwei Jahre lang hatten die geheimen Grabungen von Roger Lhomoy angedauert. Korrekt wie der Schatzsucher war, meldete er seinen sensationellen Fund dem Bürgermeister des Ortes, der daraufhin nichts Eiligeres zu tun hatte, als den Brunnen von der Feuerwehr wieder zuschütten zu lassen. Angeblich fürchtete er, dass jemand hineinfallen könnte. Außerdem bezweifelte er, was ihm der Entdecker über den Fund von 30 Schatztruhen mitteilte. Weil sich der Finder jedoch an die Presse wandte, wurde er kurz darauf entlassen. Roger Lhomoy verlor nicht nur seine Arbeit, sondern auch seine Frau, die ihn mit den Kindern verließ, weil sie ihren Mann für einen Verrückten hielt. Aber Lhomoy blieb bis zu seinem Tode fest bei seiner Behauptung 30 Schatztruhen in einer geheimen Kapelle unter Gisors entdeckt zu haben.
     
    So wie oben beschrieben wird die Geschichte von der Entdeckung der unterirdischen Kapelle und der 30 Schatztruhen durch Roger Lhomoy nach wie vor überliefert. Genaueres weiß man nicht, so dass wir nichts in Händen halten als die Aussage eines, wie es scheint, von seiner Idee besessenen Mannes, den man nun für glaubwürdig halten mag oder nicht. Dass im Jahre 1964 der französische Staat, in Person des damalige Minister für Kultur, André Malraux, die Burg und das Gelände zum Sperrgebiet erklären ließ, damit Pioniere der Armee Ausgrabungen vornehmen, ist zwar bedeutungsvoll, erklärt aber immer noch nicht, ob Lhomoy ein Lügner war oder nicht. Haben die französischen Soldaten die Kapelle nebst Schatztruhen entdeckt? Wir wissen es nicht, außer dass der Minister Malraux auf Drängen der fragenden Journalisten endlich zugab, tatsächlich nach einem Schatz suchen zu lassen. Ob er Erfolg damit hatte, kein Kommentar.
    Gisors, nordwestlich von Paris – birgt die runde Burg nun Rätsel oder nicht? Aber mit absoluter Sicherheit! Doch dazu kommen wir noch.
    Mich interessierte zunächst einmal Roger Lhomoy. Was war er für ein Mensch? Und vor allem, warum fängt er überhaupt an in Gisors zu graben? 1929 wird er auf der Burg als Gärtner und Touristenführer angestellt. Damals war er 25 Jahre alt. Aber erst 15 Jahre später ist er plötzlich vom unermüdlichen Eifer beseelt, sich die Nächte mit anstrengenden Grabungen unter dem Wehrturm um die Ohren zu schlagen. Zwei Jahre lang gräbt er sich 20 Meter tief in den Boden hinein. Verletzt sich dabei am rechten Bein so schwer, dass er sich zeitlebens nur noch humpelnd fortbewegen kann. Nach 21 Metern stößt er auf eine Mauer, durchbricht diese und findet die Kapelle der Heiligen Katharina. Alles Weitere ist bekannt.
    Bei meinen Nachforschungen stieß ich zunächst auf die Tatsache, dass Roger Lhomoy bevor er sich um die Stelle in Gisors bewarb, intensive Bergbaustudien betrieben hatte. Wurde ihm vielleicht damals von einem geheimen Ort erzählt, der sich unter dem Wehrturm von Gisors befinden soll? Merkwürdig ist es schon, dass Roger Lhomoy unbedingt Gärtner in Gisors werden wollte, obwohl ihm damals in Paris eine besser dotierte Stelle angeboten worden war. Je länger ich mich mit Lhomoy befasste, desto mehr verstärkte sich mein Eindruck, dass er von vorneherein mit einer festen Absicht nach Gisors gekommen war, die rein gar nichts mit seinem eigentlichen Beruf in der Burg zu tun hatte. Der Mann wollte in erster Linie in der Ruine nach der verborgenen Kapelle der Heiligen Katharina suchen, selbst wenn er dabei umfangreiche Grabungen in Kauf nehmen musste.
    Aber woher könnte er von dem geheimen unterirdischen Ort gewusst haben? Es war nicht schwierig das herauszufinden. 1629 erwähnt der Maler und Schriftsteller Antoine Dorival in seinem Text „Tableau poétique de l‘église de Gisors“ die Kapelle Sainte-Catherine und beschreibt den seiner Meinung nach herrlich gearbeiteten steinernen Altaraufsatz. In dem 1696 erschienenen Buch „Anmerkungen zur Geschichte von Gisors“ von Alexandre Bourdet, im Übrigen ein
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