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Nacht der Zaubertiere

Nacht der Zaubertiere

Titel: Nacht der Zaubertiere
Autoren: Dean R. Koontz
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schön geschnitzten Glasschrank, in dem lauter alte Puppen ausgestellt waren, die Martha Miller restauriert hatte.
    »Karamel hat schon recht«, bemerkte Einstein.
    »Womit?« fragte der Gestiefelte Kater.
    »Mit allem«, erwiderte Einstein, »aber vor allem damit, wie ungerecht es ist, daß die anderen Spielsachen niemals erfahren können, wie das wahre Leben ist. Kannst du dich noch daran erinnern, was Karamel im Kaufhaus gesagt hat, als sie all diese gewöhnlichen ausgestopften Spielzeugtiere gesehen hat? Ungerecht. Und das stimmt wirklich. Denn diese Puppen und Spielsachen, auch die, die nicht leben, machen Kindern Freude, und ich finde, da hätten sie auch selbst ein bißchen Spaß verdient.«
    »Vielleicht sind sie aber doch auf eine gewisse Art und Weise lebendig«, sagte der Gestiefelte Kater nachdenklich. »Wenn ein Kind nun glaubt, daß seine Puppe lebt, und wenn es das wirklich glaubt, wer kann denn behaupten, das wäre nicht wahr?«
    Während sie schweigend dastanden und die Puppen und Tiere im Glasschrank betrachteten, kam Hupf in mächtigen Sätzen angesprungen. Er blieb wie erstarrt neben seinen Freunden stehen und schaute ebenfalls auf die Spielsachen. »Die kriegen nie eine Seele, oder?« fragte er.
    »Das wissen wir nicht.«
    »Also ich«, sagte Hupf plötzlich, »ich glaube, wir kommen alle miteinander dorthin, wo auch unsere Menschenkinder später hinkommen. Wenn Gott die Welt geschaffen hat, dann muß er auch gerne spielen.«
    Die drei schwiegen. Und erst nach einer Weile fiel Hupf wieder ein, weswegen er Einstein und den Gestiefelten Kater gesucht hatte. Martha war fast fertig mit Amos. »Sie hat seinen Bauch frisch gestopft und näht ihn jetzt nur noch zu.«
    Sie liefen in die Werkstatt zurück, und Viktor hob sie auf den Arbeitstisch hinauf. Dann verfolgten die lebendigen Zaubertiere gespannt, wie Martha Miller die Reparaturen an ihrem Freund und Anführer vollendete.
    Amos’ blauer Pullover mit dem Alpha- und Ome- ga-Zeichen und der darunterliegende Bärenbalg waren an mehreren Stellen zerschnitten. Martha hatte die Wunden mit kunterbunten Stoffresten geflickt, rot, grün und gelb, so daß auch der Bär zu seinen Orden gekommen war.
    Nach den letzten Stichen vernähte sie den Faden und schnitt ihn ab.
    Amos rührte sich nicht. Seine Augen blieben starr und seine Glieder ohne Leben.
    »Amos«, flehte Karamel, »sprich doch zu uns.«
    »Setz dich hin und grinse über dein ganzes Plüschgesicht«, flüsterte Hupf.
    »Ach bitte«, sagte Einstein, »setz dich hin und sag jawollja!«
    Aber Amos zeigte keinen Funken Leben. Unter dem Körper des Braunen lagen ein Bleistiftstummel und ein Zettel, auf dem einige Verszeichen standen.
    Einstein überflog diese Zeilen, krank vor Kummer, und sagte erstaunt: »Aber... das klingt ja ganz wie von Adam Riese.«
    »Ich hab’ den Bleistift und den Zettel in seiner Pullovertasche gefunden«, sagte Martha Miller. »Wer ist Adam Riese?«
    Einstein warf seinen Freunden einen bedeutungsvollen Blick zu, und nur Karamel hatte schließlich den Mut, das auszusprechen, was ihnen plötzlich allen klargeworden war. »Adam Riese hat es nie gegeben«, antworteten sie. »Amos hat alle Gedichte selbst geschrieben, und wir haben das nicht begriffen. Wir haben uns über die Gedichte des armen Amos immer nur lustig gemacht.«
    »Aber jetzt«, sagte Hupf mit schmerzerstickter Stimme, »würd’ ich alles drum geben, daß ich wieder hören könnte, wie er ein Gedicht von Adam Riese aufsagt.«
    »Alles«, wiederholte der Alte kummervoll.
    »Ich könnt’ mich in Grund und Boden schämen«, sagte Einstein, »wie wir diese Gedichte durch den Kakao gezogen haben.«
    »Manchmal«, bemerkte der Gestiefelte Kater, »kann man jemanden ganz ohne Absicht verletzen, nur weil man sich nicht die Zeit zum Denken nimmt.«
    Einen Augenblick schwiegen sie. Dann schluchzten sie wieder leise um ihren verlorenen Freund. Einstein sah, daß Martha Miller wieder weinte und auch Viktor die Tränen in den Augen standen. Er legte Martha den Arm um die Schulter, und sie lehnte den Kopf an die seine. Sie sagte: »Mir scheint, wenn er nicht weiterleben soll, dann kann ihn auch meine neue Zauberkraft nicht zu euch zurückholen.«
    Sie standen lange und stumm neben dem leblosen Körper von Amos und starrten ihn an, bis Einstein merkte, daß Karamel an ihrer frisch geflickten Pfote kaute und die feinen Stiche wieder aufbiß.
    Martha Miller fiel es ebenfalls auf. »Karamel, was machst du denn da?«
    »Ich hab’
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