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Nacht der Wahrheit

Nacht der Wahrheit

Titel: Nacht der Wahrheit
Autoren: Thomas Knip
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wie auch das schwache Pochen gegen das Holz.
    Vor der nächsten Tür auf der gegenüberliegenden Seite blieben sie stehen. Der Gang endete keine zehn Meter weiter hinten, dennoch verlor sich das Licht in ihm wie in einem endlos tiefen Schlund.
    Der Wächter zog einen Bolzen aus dem metallenen Riegel und schob die Sperre mit einem kräftigen Ruck nach hinten. Die Tür schwang schwerfällig nach innen. Abgestandene Luft drang den Männern entgegen. Durch eine kleine Luke am anderen Ende des vollkommen leeren Raums drang etwas Licht in die Kammer. Der Boden war mit altem, längst verblichenem Stroh ausgelegt. Ohne Widerstand betrat Talon die Zelle und drehte sich zu Nefer um.
    „Wenn ihr mich schon am Leben lasst, dann gebt mir wenigstens etwas zu essen und zu trinken“, verlangte er von dem Ägypter. Dieser lächelte dünn und machte dem Wächter ein Zeichen, der dieses mit einem missbilligenden Blick quittierte und nickte. Dann schloss sich die Tür vor seinen Augen und ließ ihn in der Dunkelheit der Kammer zurück.

    Talon verbrachte den gesamten folgenden Tag in der kleinen Zelle. Durch das spärlich einfallende Licht konnte er nachverfolgen, wie die Zeit verstrich. Er hatte unruhig ein paar Stunden geschlafen, bis er durch den Wächter geweckt worden war, der durch eine kleine Klappe in der Tür eine Schale in die Kammer schob. Die flache Schüssel war mit einer milchigen, zähen Flüssigkeit gefüllt. Zusätzlich lag am Rand ein abgerissenes Stück Fladenbrot.
    Er schob sein Misstrauen bei dem eigenartigen Geruch der Suppe – zumindest hielt er es dafür – beiseite und trank die Schale mit wenigen Schlucken leer. Den zähen Rest wischte er mit dem Brot auf.
    Als der folgende Abend anbrach, hörte Talon die Unruhe auf dem kleinen Gang. Kurz darauf öffnete sich die Tür seiner Zelle, und Nefer trat mit zwei gepanzerten Soldaten ein. Zwei weitere von ihnen hielten am Eingang Wache, um den Gedanken an eine Flucht erst gar nicht aufkommen zu lassen.
    „Menasseb will, dass du an der Prozession teilnimmst“, erklärte ihm der Hauptmann. Er gab mit einem Fingerzeig den beiden anderen Männern einen Befehl, die augenblicklich damit begannen, Talon zu fesseln. Es waren schwere Ketten aus Bronze, die über Kreuz seinen Oberkörper umschlossen. Offensichtlich hatten es diese Ägypter nie erlernt, Eisen zu gewinnen. Dennoch waren die einzelnen Glieder widerstandsfähiger, als Talon es vermutet hätte.
    Er bedachte Nefer nur mit einem Blick stummer Verachtung, während seine Hände auf den Rücken gelegt wurden und sich zwei Schellen um seine Handgelenke schlossen. Eine weitere Kette führte zu einem Ring, der seinen rechten Knöchel umfasste. Das linke Bein blieb frei. Doch die Fesseln waren so eng gezogen, dass es Talon unmöglich gewesen wäre, zu entkommen. Bei jedem Schritt musste er das rechte Bein nachziehen.
    Der Hauptmann schob ihn aus der Zelle hinaus. Zusammen nahmen sie den gleichen Weg zurück, der sie gestern Abend zum Verlies geführt hatte. Das Gewicht der Ketten setzte Talon zu. Als sie das untere Ende der breiten Treppe erreicht hatte, musste er keuchend stehen bleiben und holte für mehrere Augenblicke tief Luft. Nefer nahm darauf nur wenig Rücksicht und schob ihn die einzelnen Stufen hinauf.
    Aus dem Inneren der vorderen Halle drang bereits ein dumpfer Singsang nach draußen, der durch einfache, rhythmische Klänge begleitet wurde. Auch jetzt wurde der Eingang zu dem Gebäude durch zwei Wächter gesichert, die in voller Rüstung ihren Dienst versahen. Schwere Schilde schützten ihren gesamten Oberkörper.
    Die kleine Gruppe wurde von mehreren niederen Priestern empfangen. Sie führten die Männer durch die Eingangshalle zu einem kleinen Außenbereich, in dem ein flaches, an den Rändern durch reich verzierte Kacheln geschmücktes Wasserbecken lag. Kurz noch hatte Talon einen Blick auf den hinteren Tempelbereich werfen können, der im Halbdunkel der wenigen entzündeten Ölbecken lag. Doch er hatte nicht mehr erkennen können als helle Schemen, die sich leicht hin und her bewegten.
    Zwei Priester führten ihn zum Rand des Beckens. Einer von ihnen holte ein sauber gefaltetes Tuch aus feinstem Leinen hervor, während der andere aus einer fein ziselierten Schöpfkelle Wasser aus dem Becken auf den Stoff goss. Daraufhin wurde Talon vom Kopf abwärts mit dem Tuch gereinigt. Immer wieder wurde neues Wasser nachgegossen, wenn der Stoff zu trocken wirkte.
    Talon vermutete, dass diese Reinigung kultische
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