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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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auf einem Hügel auftauchten, hielt er an. Seltsam, dass er hier noch nie gewesen war. Dabei kannte er fast jeden Winkel der südlichen Toskana und des Latiums. In seiner Freizeit fuhr er gerne die unzähligen kleinen Nebenstraßen ab – mit dem Auto oder mit dem Fahrrad –, er bewunderte und liebte die Schönheit dieses Landes, das trotz der Achtlosigkeit seiner Bewohner noch immer nicht völlig zerstört war.
    Zumindest dort nicht, wo kein Geld zu holen ist, dachte er grimmig. Das hier war so ein Ort. Wie es die Deutschen wohl hierher verschlagen hatte? Es konnten keine gewöhnlichen Touristen sein – hier gab es nichts. Keine Kneipen, keine Restaurants, kein Dorf – nur Felder, Wäldchen, Weinberge und diese weite Landschaft.
    Langsam fuhr Angelo Guerrini weiter. Schon von weitem sah er mehrere Polizeifahrzeuge, die unter einer Piniengruppe an der Kreuzung von vier Feldwegen abgestellt waren. Er parkte halb auf einem Acker, stieg aus und runzelte leicht die Stirn, als ein junger Carabiniere zu seiner Begrüßung strammstand.
    «Commissario Guerrini?», fragte der junge Mann – in militärischem Tonfall.
    Guerrini verzog das Gesicht und nickte.
    «Lassen Sie das bitte in Zukunft!», sagte er.
    «Was?»
    «Na, diesen militärischen Quatsch!»
    Der junge Mann starrte ihn mit halb offenem Mund an, hob dann wieder die Hand zur Mütze, ließ sie aber auf Kinnhöhe sinken, legte den Arm auf den Rücken, wie ein Kellner in besseren Restaurants, und murmelte: «Jawohl, Commissario!»
    Guerrini musterte ihn mit einem Lächeln in den Augenwinkeln. Der Junge litt offensichtlich in seiner schwarzen Uniform mit den schicken roten Streifen an den Hosenbeinen. Schweiß tropfte unter dem Rand seiner ebenfalls schwarzen Mütze hervor. Aber er hatte es trotz der Hitze nicht gewagt, seine Jacke auszuziehen. Guerrini war sich der Komik der Situation sehr bewusst. Er, der ranghöhere Commissario, trug nur ein dunkelblaues T-Shirt – von edler Marke zwar – und helle Sommerhosen. Sein Jackett hatte er schon in Siena auf den Rücksitz des Wagens geworfen.
    «Also? Wo ist der Rest der Mannschaft?»
    «Am Tatort, Commissario! Ich werde sofort Bescheid sagen, dass man Sie abholen soll!»
    Die Beine des jungen Soldaten zuckten, als wollte er sie zusammenschlagen, und er riss ein Funkgerät aus seinem Gürtel.
    «Wenn Sie mir beschreiben, wo es ist, dann finde ich sicher selbst hin.»
    «Aber ich habe Anweisung …»
    «Vergessen Sie die Anweisung. Ich gebe Ihnen hiermit eine neue! Also, wo geht’s lang?»
    Der junge Mann lief rot an, wies dann zu einer Reihe von dichten Bäumen hinüber.
    «Dort drüben, Commissario. Hinter der Wiese. Es ist unten am Bach. Sie können es nicht verfehlen!»
    «Na also!», lächelte Guerrini. «Es geht doch auch ganz einfach, oder? Sind alle da? Spurensicherung? Pathologe?»
    «Ja, alle sind da! Das heißt … der Arzt ist schon wieder weg!» Die rechte Hand des Jungen zuckte erneut nach oben, nestelte dann verlegen am Hüftgurt herum.
    «Strenge Sitten bei euch in Montalcino, was?», grinste Guerrini, wandte sich um und ging quer über die Wiese auf den Bach zu. Das Gras war ausgewachsen und von der Sonne gebleicht. Zwischen den dürren hellen Halmen schien der harte Boden durch, von unzähligen Rissen durchzogen. Disteln kratzten an den Beinen des Commissario entlang. Die Toskana hatte im Sommer und Herbst wirklich nichts Liebliches mehr, ging es ihm durch den Kopf. Sie war ein hartes, abweisendes Land, das sehnsüchtig auf Regen wartete. So trocken, dass die Bauern den spärlichen Tau der Nacht zum Pflügen nutzten, weil sie tags im Staub ersticken würden.
    Guerrini seufzte und trat in den Schatten der Bäume am Ufer des ausgetrockneten Bachbetts. Grünes Dämmerlicht umfing ihn, die Luft wurde spürbar kühler und unzählige Mücken umsummten sein Gesicht. Es roch ein wenig moderig, und er bat innerlich heftig darum, dass die Hitze der Leiche noch nicht zugesetzt haben möge.
    Als sich seine Augen an die plötzliche Dämmerung gewöhnt hatten, erkannte er, dass das Bachbett mit einem Zaun aus roten Plastikbändern abgesperrt war. Etwa fünfzig Meter hinter der Absperrung standen seine Kollegen herum. Nach einer etwas mühsamen Klettertour über Wurzeln und Steine hatte er sie endlich erreicht. Sie schauten ihm schweigend entgegen, als hielten sie ihn für den Mörder, der zum Tatort zurückkehrt.
    Guerrini kannte nur drei von ihnen, Maresciallo Pucci und zwei Männer von der
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