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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen
Autoren: Kelley Armstrong
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    Und der Name der Halbdämonin? Leah O’Donnell. Der Name, der mich jetzt von dem Antrag auf das Sorgerecht anstarrte.

Das sichere Heim
     
    L eah war eine telekinetisch begabte Halbdämonin des obersten Rangs.
    Ein Halbdämon ist der Sprössling eines Dämons und einer menschlichen Frau. Halbdämonen sehen immer aus wie Menschen; äußerlich schlagen sie ihrer Mutter nach. Was sie von ihrem Vater erben, hängt davon ab, welcher Typ Dämon er ist. Bei Leah war es die Telekinese. Das bedeutet, sie konnte mit Gedankenkraft Gegenstände bewegen. Nur sollten Sie jetzt nicht an verbogene Löffel denken. Versuchen Sie sich stattdessen eine Frau vorzustellen, die mit Hilfe ihres Willens einen stählernen Schreibtisch in die Wand rammen kann – buchstäblich
in
die Wand, mit solcher Kraft, dass der Schreibtisch im Putz stecken bleibt und alles zerschmettert, was ihm im Weg gestanden hat.
    So war es wenig überraschend, dass ich gleich als Erstes, nachdem ich den Brief gelesen hatte, im ganzen Haus herumrannte und es sicherte. Nachdem ich die Türen abgeschlossen und die Jalousien heruntergezogen hatte, ging ich zu den weniger konventionellen Sicherungsmaßnahmen über. Ich sprach an jeder Tür einen Schließzauber, der sie selbst dann noch geschlossen halten würde, wenn die Verriegelung versagte. Als Nächstes verwendete ich Perimeterformeln an sämtlichen Türen und Fenstern. Unter einer Perimeterformel können Sie sich eine Art übernatürlichen Bewegungsmeldervorstellen; niemand würde das Haus betreten können, ohne dass ich es merkte.
    All dies waren vom Zirkel abgesegnete Formeln, obwohl sich erst vor ein paar Monaten eine Hexe verpflichtet gefühlt hatte, uns darauf hinzuweisen, dass ein Schließzauber zum Bösen verwendet werden konnte, sollten wir jemals auf den Gedanken kommen, jemanden in einen Raum
ein
zuschließen, statt ihn
aus
zuschließen. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen jetzt erzähle, dass der Zirkel danach allen Ernstes eine Sondersitzung der Ältesten einberief, um die Frage zu erörtern? Schlimmer noch, die Ältesten hatten zwei zu eins dafür gestimmt, die Formel der zweiten Stufe zu verbieten; damit wäre uns nur noch die der ersten Stufe geblieben, die mit einem kräftigen Drehen des Türknaufs aufgehoben werden konnte. Glücklicherweise zählte meine Stimme mehr, und so war der Antrag abgelehnt worden.
    Savannah kam herein, als ich gerade eine Perimeterformel über unserem nie genutzten offenen Kamin sprach.
    »Wen versuchst du fern zu halten?«, fragte sie. »Den Weihnachtsmann?«
    »Dieser Brief – er ist von Leah.«
    Sie zwinkerte verblüfft – überrascht, aber nicht besorgt. Ich beneidete sie darum.
    »Okay«, sagte sie. »Das haben wir schließlich erwartet. Wir sind ja auf sie vorbereitet, oder?«
    »Natürlich.«
    Bildete ich es mir ein oder zitterte meine Stimme eine Spur? Einatmen, ausatmen … und jetzt noch mal und mit mehr Überzeugung. »Vollkommen.« Oh, yeah. Das klang ungefähr so selbstsicher wie ein in die Ecke getriebenes Kätzchen mit drei gebrochenen Beinen. Ich beschäftigte mich damit,Perimeterformeln an den Wohnzimmerfenstern zu sprechen. »Was hat denn dringestanden in dem Brief?«, fragte Savannah. »Drohungen?«
    Ich zögerte. Ich kann nicht lügen. Okay, ich kann, aber ich bin hoffnungslos. Meine Lügen sind so durchsichtig, dass mir auch gleich eine lange Nase wachsen könnte.
    »Leah … will das Sorgerecht für dich.«
    »Und?«
    »Es gibt kein ›und‹. Sie will das Sorgerecht für dich, ganz offiziell.«
    »Yeah, und ich will ein Handy. Sie ist ein Miststück. Sag ihr, dass ich das gesagt habe. Und sag ihr, sie soll sich verp-«
    »Savannah.«
    »Hey, bei ›Miststück‹ hast du nichts gesagt. Man muss ja noch seine Grenzen austesten dürfen.« Sie schob sich einen Keks in den Mund. »Feischocheine.«
    »Der korrekte Ablauf ist: kauen, schlucken, reden.«
    Sie verdrehte die Augen und schluckte. »Ich hab gesagt, du weißt doch, was ich meine. ›Hexensklavin‹ war nicht das, was ich mir beim Berufsberatungstag letzte Woche hab erklären lassen. Sag ihr, es interessiert mich nicht, was sie anzubieten hat.«
    »Das ist gut, aber vielleicht braucht es mehr als das, bis sie ihre Meinung ändert.«
    »Damit kommst du aber klar, oder? Du hast sie schon mal zum Teufel geschickt. Mach’s einfach wieder.«
    Ich hätte sie jetzt wohl darauf hinweisen sollen, dass ich Leah nur mit einer Menge Unterstützung durch Außenstehende »zum Teufel geschickt« hatte,
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