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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen
Autoren: Kelley Armstrong
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unten im Erdgeschoss gesessen hätte.
    Seit die Carys Anwälte gewesen waren, hatten sie ihre Kanzlei auch in einem monströsen dreistöckigen Kolonialbau mitten in der Main Street geführt. Ich traf dort um 9.50 Uhr ein. Als ich das Gebäude betreten hatte, informierte ich mich als Erstes über den Aufenthaltsort aller Anwesenden. Die Frau des jüngeren Grantham, Lacey, saß an ihrem Schreibtisch im Erdgeschoss, und eine höfliche Anfrage ergab, dass sich beide Granthams oben in ihren jeweiligen Büros aufhielten. Gut. Es war unwahrscheinlich, dass Leah irgendwas Paranormales unternehmen würde, wenn Menschen in der Nähe waren.
    Nachdem ich die unumgänglichen zwei Minuten Smalltalk mit Lacey abgehakt hatte, nahm ich mir einen Stuhl am Fenster. Zehn Minuten später öffnete sich die Tür des Konferenzraums, und ein Mann in einem maßgeschneiderten Dreiteiler kam herein. Er war groß, dunkelhaarig, Ende dreißig. Attraktiv auf eine glatte, künstliche Art, wie eine Ken-Puppe. Unverkennbar ein Anwalt.
    »Ms. Winterbourne?«, fragte er im Näherkommen, während er die Hand ausstreckte. »Ich bin Gabriel Sandford.«
    Als ich aufstand, trafen sich unsere Blicke, und ich wusste genau, warum er Leahs Fall angenommen hatte. Gabriel Sandford war nicht einfach nur ein Anwalt aus Los Angeles. Es war viel schlimmer.

Brillante Strategie, vier Jahrhunderte zu spät
     
    G abriel Sandford war ein Magier.
    Ich wusste dies in der Sekunde, in der ich ihm in die Augen sah; es war ein instinktives Wissen, das sich einstellte, bevor ich auch nur hätte sagen können, welche Farbe diese Augen hatten.
    Es ist etwas, das unseren beiden Spezies eigen ist. Wir brauchen einander nur in die Augen zu sehen, und die Hexe erkennt den Magier, der Magier die Hexe.
    Hexen sind immer Frauen, Magier immer Männer, aber Magier sind nicht das männliche Äquivalent der Hexen. Wir sind zwei unterschiedliche Spezies mit unterschiedlichen Kräften, bei denen es allerdings Überschneidungen gibt. Magier können Hexenformeln verwenden, wenn auch mit geringerer Wirksamkeit, so wie unsere eigenen Kräfte begrenzt sind, wenn wir Magierformeln einsetzen.
    Niemand weiß, wo der Ursprung der Magier und der Hexen liegt oder welche der beiden Gruppen zuerst da war. Wie die meisten paranormalen Spezies hat es sie seit den Anfängen der Geschichtsschreibung gegeben; am Anfang stand wohl eine Hand voll besonders »begabter« Menschen, aus der sich dann eine eigene Spezies entwickelt hat – an Zahl immer noch gering genug, um sich vor der Menschenwelt zu verstecken,zugleich aber auch groß genug, um eine eigene Untergesellschaft zu bilden.
    Die frühesten Berichte über echte Hexen lassen erkennen, dass sie ihrer Heilkünste und magischen Kräfte wegen geschätzt wurden, aber im Europa des Mittelalters wurden solche Frauen mit wachsendem Misstrauen betrachtet. Zugleich nahm das Ansehen der Magier zu, und Adlige wetteiferten darum, eigene »Zauberer« zu haben. Die Hexen brauchten keine Wetterbestimmungsformeln, um zu erkennen, woher der Wind wehte, und sie suchten sich eine neue Rolle in der neuen Weltordnung.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Magier nur einfache Formeln beherrscht, bei denen Handbewegungen eingesetzt wurden. Die Hexen brachten ihnen bei, ihre Kräfte auszubauen, indem sie weitere Elemente hinzufügten – Beschwörungen, Tränke, magische Utensilien und so weiter. Als Gegenleistung für dieses Wissen schlugen die Hexen den Magiern vor, ein für beide Seiten vorteilhaftes Bündnis einzugehen. Wenn etwa ein Adliger Unterstützung brauchte, um seine Feinde zu besiegen, wandte er sich an seinen Hofzauberer, der das Ansinnen wiederum an die Hexen weitergab. Gemeinsam sprachen sie die entsprechenden Formeln. Dann kehrte der Magier zu seinem Adligen zurück und nahm seine Belohnung entgegen. Im Gegenzug sorgte er für die Hexen und beschützte sie mit seinem Reichtum und seinem gesellschaftlichen Ansehen. Das System funktionierte jahrhundertelang. Die Magier gewannen Macht sowohl in der menschlichen als auch in der paranormalen Welt, während die Hexen unter ihrem Schutz Sicherheit erlangten und ein gesichertes Einkommen außerdem.
    Dann kam die Inquisition.
    Die Magier gehörten zu den Ersten, die ins Visier der europäischen Inquisitoren gerieten. Und wie reagierten sie? Sie wandten sich gegen uns. Die Inquisitoren wollten Häretiker? Die Magier lieferten ihnen die Hexen aus. Nachdem sie von den moralischen Einschränkungen der Zirkel befreit waren,
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