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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen
Autoren: Kelley Armstrong
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aber mein Ego sträubte sich dagegen. Wenn Savannah glaubte, ich hätte bei Leahs Niederlageletztes Mal eine entscheidende Rolle gespielt, brauchte ich sie jetzt nicht eines Besseren zu belehren. Sie sollte sich sicher fühlen können. Und so widmete ich mich im Interesse eben dieser Sicherheit wieder meinen Perimeterformeln.
    »Ich gehe und erledige das an meinen Schlafzimmerfenstern«, sagte sie.
    Ich nickte, wobei ich genau wusste, dass ich die Formeln noch einmal neu sprechen würde, wenn sie gerade nicht dabei war. Nicht, dass es Savannah bei Formeln der zweiten Stufe an Können gefehlt hätte. Ich gab es zwar sehr ungern zu, aber sie übertraf mich schon jetzt auf allen Stufen der Zirkelmagie. Ich würde ihre Formeln ersetzen, weil ich es tun
musste
– um meines eigenen Seelenfriedens willen. Sonst würde ich mir Sorgen machen, sie könnte ein Fenster vergessen oder bei der Beschwörung geschludert haben oder irgendetwas sonst. Es hatte nichts mit Savannah zu tun; ich hätte bei jeder anderen Hexe das Gleiche getan. Ich fühlte mich einfach wohler, wenn ich wusste, dass ich mich selbst der Sache angenommen hatte.

    Gegen sieben war Savannah in ihrem Zimmer verschwunden, etwas, das mir wirklich Sorgen hätte machen müssen, wenn sie abends nicht fast immer gleich nach dem Essen verschwunden wäre – bevor ich Gelegenheit hatte, um ihre Mithilfe beim Abräumen zu bitten. Die nächsten paar Stunden verbrachte sie dann in ihrem Zimmer, angeblich über den Hausaufgaben, was aus irgendeinem Grund anderthalbstündige Telefonate mit Mitschülerinnen erforderte. Gruppenarbeit eben – was sollte man schon dagegen sagen?
    Sobald Savannah verschwunden war, widmete ich mich wieder dem Brief. Er verlangte meine Anwesenheit bei einemTreffen um zehn Uhr am nächsten Vormittag. Bis dahin konnte ich kaum etwas tun außer abzuwarten. Ich kann das nicht leiden. Um halb acht war ich entschlossen, etwas zu unternehmen – irgendwas.
    Eine Spur gab es immerhin, die ich verfolgen konnte. Der Brief stammte von einem Anwalt namens Gabriel Sandford, der bei Jacobs, Sandford und Schwab in Los Angeles arbeitete. Merkwürdig. Sehr merkwürdig sogar, wenn man es sich recht überlegte. Sich einen Anwalt in Los Angeles zu suchen wäre folgerichtig, wenn man in Kalifornien lebte, aber Leah stammte aus Wisconsin. Ich wusste, dass sie nicht umgezogen war, denn ich fragte alle zwei Wochen diskret bei ihr auf dem Revier nach. Und ja, mit »Revier« meine ich Polizeirevier. Und nein, Leah war nicht im Gefängnis – obwohl ich nur wenige Leute kenne, die hinter noch dickere Gitter gehören. Leah war Hilfssheriff. Würde ihr das bei der Sorgerechtssache helfen? Es hatte keinen Zweck, darüber nachzugrübeln, bevor ich nicht mehr wusste.
    Also zurück zu dem Anwalt aus Los Angeles. Vielleicht war das Ganze überhaupt nur ein Bluff? Vielleicht gab es in Wirklichkeit gar keinen Rechtsfall. Vielleicht hatte Leah diesen Anwalt erfunden, ihm eine Kanzlei in einer riesigen Stadt möglichst weit von Massachusetts entfernt gegeben und sich darauf verlassen, dass ich der Sache nicht nachgehen würde. Die Telefonnummer stand im Briefkopf, aber ich rief trotzdem die Auskunft an, um sie zu überprüfen. Dort gab man mir eine identische Adresse und Telefonnummer für Jacobs, Sandford und Schwab. Ich rief in der Kanzlei an – an der Westküste war es erst halb fünf Uhr nachmittags. Als ich nach Gabriel Sandford fragte, teilte mir seine Sekretärin mit, dass er dienstlich verreist war.
    Als Nächstes suchte ich im Internet nach Jacobs, Sandford und Schwab. Ich fand mehrere Einträge auf Sites, die Kanzleien in Los Angeles aufführten. Sämtliche Einträge waren sehr diskret gehalten; nicht einer davon warb um neue Mandanten. Es sah mir nicht nach der Sorte von Kanzlei aus, deren Spot eine Polizistin aus Wisconsin zufällig in einer spätabendlichen Werbepause entdecken würde. Sehr merkwürdig, aber ich würde bis morgen warten müssen, wenn ich mehr herausfinden wollte.

    Mit dem Morgen stellte sich das nächste Problem ein: Wohin mit Savannah? Ich würde sie nicht in die Schule gehen lassen, solange Leah in der Stadt war. Und ich würde sie ganz sicher nicht mitnehmen. Schließlich ließ ich sie bei Abigail Alden. Abby war eine der ganz wenigen Zirkelhexen, denen ich Savannah anzuvertrauen bereit war, jemand, der sie ohne Vorbehalte beschützen würde – und ohne es den Ältesten zu erzählen.
    East Falls liegt nur vierzig Meilen von Boston entfernt. Aber
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