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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen
Autoren: Kelley Armstrong
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das Vordach hielten, brach durch. Wir warfen uns vorwärts ins Gras, gerade als die Vorhalle zusammenbrach. Dann hörte das Beben wieder auf, und das Heulen sank zu einem Summen ab.

Eves Rückkehr
     
    E s ist Savannah«, sagte ich; die Worte überstürzten sich fast. »Sie versucht den Geist ihrer Mutter zu beschwören.«
    »Das kann sie nicht.«
    »Ich weiß, aber sie hört nicht auf damit. Sie hat gar nicht gemerkt, dass ich da war. Und ich komme nicht mal in ihre Nähe.«
    Das Haus stöhnte und bebte. Als ich Anstalten machte, wieder ins Innere zu rennen, packte Cortez mich am Arm; dann begann er unkontrollierbar zu husten. Blut und Speichel sprühten.
    »Ich muss sie dazu bringen, dass sie aufhört«, sagte ich. »Bevor sie wieder irgendwas Fürchterliches ruft – oder das Haus zusammenbricht.«
    »Ich kenne eine Formel –«, Husten machte die nächsten Worte unverständlich, »– aussiehst wie Eve.«
    »Was?«
    »Eine Formel, die bewirkt, dass du aussiehst wie Eve. Sie ist nicht perfekt. Der Erfolg hängt davon ab, ob derjenige willens ist, der Täuschung Glauben zu schenken. Was Savannah offensichtlich ist.«
    »Ich soll ihre Mutter spielen?« Ich schüttelte heftig den Kopf.
    »Das … das ist … das kann ich nicht. So will ich sie nicht hintergehen. Es wäre nicht richtig.«
    »Du musst aber. Dieses Haus bricht zusammen, es kann jeden Moment passieren. Wäre es Eve lieber, wenn ihre Tochter da drin umkommt? Nein, es ist nicht richtig, aber es ist gerechtfertigt. Wir werden Savannah nie die Wahrheit sagen. Du gibst ihr einen letzten Moment mit ihrer Mutter, Paige. Ich weiß, dass dir klar ist, wie viel ihr das bedeutet.«
    »O Gott.« Ich rieb mir mit den Händen übers Gesicht.
    »O-okay. Mach’s. Beeil dich, bitte.«
    Cortez sprach die Formel. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Zweimal unterbrach ihn ein Hustenanfall, und mein Herz krampfte sich zusammen. Wie schwer war er verletzt? Was, wenn er – Nein. Darüber konnte ich nicht nachdenken. Nicht jetzt.
    Endlich kam er zum Schluss. Als ich die Augen öffnete und nach unten blickte, sah ich meine eigenen kurzen Finger, meine eigenen Silberringe.
    »Hat es –« Ich sah zu ihm aus. »Hat es funktioniert?«
    »Wenn du das fragen musst, wirst du es nicht sehen. Die Illusion hängt von der Bereitwilligkeit des Gegenübers ab, sie zu glauben.«
    Ich schloss die Augen und zwang mich, meine Zweifel hinter mir zu lassen. Dies musste klappen. Ich musste zu Eve werden.
    Als ich wieder hinsah, sah ich meine Finger schimmern und dann länger werden, die Nägel lang und gefeilt; die Ringe verschwanden. Ich stand auf und erwartete, mich desorientiert zu fühlen, aber es geschah nichts dergleichen. Mein Körper bewegte sich so, wie er es immer getan hatte. Wie Cortez gesagt hatte – die Illusion bestand einzig und allein im Auge des Betrachters.
    Die vordere Haustür war nicht mehr zugänglich, und sotrabte ich ums Haus herum zur Hintertür. Als ich eben ins Innere rennen wollte, sah ich Cortez heranhumpeln; er verwendete die Hausmauer, um sich abzustützen.
    »Geh«, sagte er. »Wir treffen uns unten im Keller.«
    »Du musst aber hier bleiben.«
    »Ich werde mich Savannah nicht zeigen, Paige. Die Illusion wird vollständig sein. Ich komme nur als Verstärkung mit, für den Fall, dass es Schwierigkeiten gibt.«
    Ich lief zu ihm hin und legte eine Hand gegen seine Brust, was ihn zum Stehen brachte. »Bitte. Bleib hier draußen. Du bist verletzt.«
    »Ich kann immer noch Formeln –«
    »Nein, bitte.« Ich sah ihm in die Augen. »Wenn irgendwas schief geht, würdest du es nie rechtzeitig ins Freie schaffen. Ich muss wissen, dass mit dir alles okay ist. Ich schaffe das schon.«
    Das Haus krachte. Schindeln fielen vom Dach; eine traf mich an der Schulter.
    Cortez schob mich in Richtung Tür. Eine weitere Aufforderung brauchte ich nicht. Ich warf noch einen letzten Blick zurück und ging.
    Ich rannte in den Keller hinunter. Aus dem Heizungskeller drang immer noch Savannahs ansteigendes und wieder abfallendes Flehen ins Freie. Ich drückte mir die Hände gegen das Gesicht und holte tief Atem, versuchte mein hämmerndes Herz unter Kontrolle zu bringen. Ich musste an dies glauben.
Sie
musste daran glauben.
    Als ich um die Ecke bog, brach Savannah ab.
    Sie wurde still – vollkommen still, als spürte sie mich in ihrem Rücken, hätte aber Angst, sich umzudrehen und die Enttäuschung in Kauf zu nehmen.
    »Savannah?«, sagte ich.
    In meinen eigenen Ohren klang meine Stimme
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