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Nachricht von dir

Nachricht von dir

Titel: Nachricht von dir
Autoren: Guillaume Musso
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sie die Koordinaten ein, die ihr Anthony, der Dieb vom Abschleppplatz, verraten hatte. Diesmal wusste sie, dass sie ans Ziel kommen würde. Dank Jonathan kannte sie jetzt den Ort, wo Alice gefangen gehalten wurde. Heute würde der Epilog zu einer Ermittlung geschrieben, die ihr seit drei Jahren Albträume bereitete.
    Natürlich würden die Bullen versuchen, sie abzufangen. Alle Wagen der Polizei ließen sich per Satellit orten, aber darauf hoffte sie. Für den Fall, dass etwas schiefginge, sollten viele Sicherheitskräfte nach Coney Island gelockt werden.
    Die ersten Kilometer verliefen wie im Traum. Am Steuer des Ford Explorer hatte Madeline den Eindruck, die Stadt gehöre ihr allein. Dann, kurz vor der Brooklyn Bridge, wurde der Verkehr zäher. Sie stellte das Radio auf einen lokalen Sender ein. Ständig wurde die Warnung der Stadtverwaltung wiederholt: Die Bewohner sollten während des Blizzards ihre Häuser und Wohnungen nicht verlassen. Die Ermahnungen aber machten wenig Eindruck auf die New Yorker, die an diesem Vorweihnachtswochenende nicht in Manhattan bleiben wollten.
    Madeline schaltete Blaulicht und Sirene ein. Die Wirkung war verblüffend. Die Wagen fuhren brav zur Seite, um ihr Platz zu machen, sodass sie die Brücke rasch überqueren konnte. Fest entschlossen, dieses Privileg voll auszunutzen, fuhr sie auf die Interstate 278, die dreispurige Autobahn entlang der Upper Bay. Auch wenn der Schnee den Verkehr behinderte, hatten die Behörden die Brücken und Tunnel noch nicht gesperrt. Das konnte aber laut Nachrichtenmeldungen von einer Minute zur anderen geschehen. Plötzlich kündigte eine Leuchttafel einen Stau an. Zwei Kilometer weiter auf einer Strecke mit einer Baustelle ging es nur noch im Schritttempo voran. Sie versuchte, sich die Durchfahrt zu erzwingen, wich aus, fuhr über den Seitenstreifen und brach den Außenspiegel ab, als sie in hohem Tempo eine Betonmauer streifte.
    Mist!
    Diesmal saß sie wirklich fest. Ein Lastwagen hatte sich quergestellt.
    Ohne die Fassung zu verlieren, durchwühlte sie das Innere des Wagens. Einer der beiden Beamten war so unvorsichtig gewesen, seine Waffe im Handschuhfach zu lassen: die berühmte Glock .17, die Standardwaffe der New Yorker Polizei. Sie nahm die halbautomatische Pistole an sich und ließ den Wagen am Straßenrand zurück. Zu Fuß lief sie etwa fünfzig Meter weiter, bis sie die Unfallstelle passiert hatte. Dank gefährlicher Manöver gelang es einigen Wagen, aus diesem Chaos herauszukommen. Madeline stürzte sich auf einen Kombi, gefahren von einem Glatzkopf, auf der Heckscheibe ein Aufkleber zu Ehren der Tea Party.
    »Aussteigen!«, brüllte sie und richtete den Lauf der Pistole auf sein Gesicht.
    Der Mann hob die Faust und bedachte sie mit einem Schwall von Flüchen, als die Diebin mit seinem Wagen davonbrauste.
    Madeline drückte das Gaspedal durch. Jetzt hatte sie weder Blaulicht noch Sirene, hupte aber ununterbrochen.
    Niemals war sie ihrem Ziel so nahe gewesen. Mit überhöhter Geschwindigkeit nahm sie die Abfahrt nach Coney Island. Die Hinterräder blockierten, der Wagen geriet ins Schleudern, doch sie konnte das Steuer herumreißen und hatte den Kombi gleich wieder unter Kontrolle.
    Das Bild von Alice Dixon, das sie in dem Videofilm gesehen hatte, ließ sie nicht mehr los. Selbst wenn Alice dieser Hölle lebend entkäme, in welchem physischen und mentalen Zustand würde dieser erneute Albtraum sie zurücklassen? Alice hatte zwar Stärke bewiesen, aber unter welchen Spätfolgen würde sie als Erwachsene nach einer solchen Serie von Traumata leiden?
    Sie schob diese Fragen beiseite, als sie die Neptune Avenue erreicht hatte und in die Sackgasse einbog, die Anthony ihr genannt hatte.
     
     
     
     
    Linie F der New Yorker U-Bahn
    Station Park Slope
     
    »Verehrte Fahrgäste, unsere Fahrt wird außerplanmäßig unterbrochen. Wir bitten Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit, nicht auf freier Strecke auszusteigen …«
     
    Jonathan sah besorgt auf seine Uhr. Er fragte sich, wo Madeline wohl sein mochte. Er versuchte, sie zu erreichen, bekam aber in dem Tunnel kein Netz. Sie stoppten häufiger zwischen den einzelnen Haltestellen, eine Station nach der anderen wurde geschlossen, und Coney Island war noch fern.
     
     
    Die Sackgasse, in die Madeline einbog, war durch den Schnee fast unpassierbar. Sie nahm die Pistole an sich, vergewisserte sich, dass das Magazin voll war, und ließ den Kombi einfach stehen. Sie lief über den Weg und betrachtete die
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