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Nach zwei Tagen Regen folgt Montag

Nach zwei Tagen Regen folgt Montag

Titel: Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
Autoren: A Bojanowski
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1314 blieb aufgrund des Wetters die Ernte aus. Bereits 1315 mussten viele Leute Hunde und Pferde essen. Bis 1322 dezimierte der »Große Hunger« die Bevölkerung enorm. Die Jahre 1346 und 1347 waren besonders kalt, der Wein erfror erneut, das Getreide verfaulte. Die geschwächten Menschen hatten Seuchen nichts entgegenzusetzen. Vermutlich aus China brachten Reisende den »Schwarzen Tod« mit: Von 1346 bis 1352 soll die Hälfte der Bevölkerung Europas an der Pest gestorben sein. Südlich der Alpen sanken die Temperaturen nicht ganz so stark. Vermutlich war das ein Grund dafür, dass sich nun in Italien die kulturelle Blüte der Renaissance entfalten konnte. Antike Philosophen kamen wieder zu Ehren, das Bankwesen entwickelte sich, und die Bürger begannen mit neuem Selbstbewusstsein dem Adel Konkurrenz zu machen.
    Die Renaissance hatte es schwer, über die Alpen zu kommen. Im Norden war die »Dunkelheit« zurückgekehrt, die Macht des Glaubens erstarkt. Die Kirche schob den Hexen die Schuld für schlechte Ernten und Krankheiten zu, sie ließ Frauen verbrennen. Ab 1524 erhoben sich die Bauern in ihrer Not gegen den Adel, der immer mehr aus ihnen herauspressen wollte. Und es wurde noch kälter. Die Kleine Eiszeit hatte begonnen. Die vielen trüben, kalten Tage veranlassten den anglikanischen Bischof Robert Burton Anfang des 16. Jahrhunderts, sein Werk Anatomie der Melancholie zu schreiben. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 machte schließlich ganz Deutschland zum Schlachtfeld, ein Großteil der Bevölkerung kam um. Und Ende des 17. Jahrhunderts litt Europa dann mehrfach unter schweren Hungersnöten. Im Jahr 1709 stürzte das Wetter Europa in eine der schlimmsten Naturkatastrophen: In der »Grausamen Kälte von 1709« gefroren sogar in Portugal die Flüsse, Palmen versanken im Schnee. In ganz Europa trieben erstarrte Fische im Wasser, das Vieh erfror in den Ställen, Rehe lagen tot auf den Wiesen, Vögel sollen wie Steine zu Boden gefallen sein. Noch im Sommer 1710 sah man ausgemergelte Menschen, die auf den Feldern »wie Schafe« grasten, wie es in zeitgenössischen Berichten heißt. Zu jener Zeit feierte der Absolutismus Triumphe, das Volk wurde gänzlich entmündigt.
    Doch mit dem Ende der Kleinen Eiszeit erwachte das Volk langsam aus seiner Erstarrung. Die Zeit der Aufklärung kam, Widerspruch regte sich. »Hungerkrisen wurden nun als Folge von Missmanagement verstanden«, erläutert Behringer. Bauern stellten auf Fruchtwechselwirtschaft um: Auf einem Feld wurden fortan wechselnde Gemüsesorten angebaut, um die Ergiebigkeit des Bodens zu erhöhen. Zudem wurde die Bewässerung modernisiert, Moore wurden urbar gemacht, bessere Straßen gebaut und Deiche aufgerüstet. Die Agrarrevolution bewirkte, dass Hungersnöte seltener wurden.
    Die Menschen hätten ihre Lehren aus den Klimakrisen gezogen, folgert Behringer. Dadurch habe sich »die Anfälligkeit der Gesellschaft für Aberglaube und religiöse Verirrungen verringert«. Gegen die Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts – ausgelöst von einem kurzzeitigen Klimarückfall – half freilich auch der technische und gesellschaftliche Fortschritt nicht. Und das 20. Jahrhundert brachte trotz Erwärmung zwei Weltkriege. Klima und Geschichte laufen eben nicht immer parallel, betonen Historiker. Viele andere Einflüsse spielen eine Rolle. »Es gab keine Kriege, nur weil es kalt war«, sagt Jan Esper, »aber Klimaumschwünge können historische Entwicklungen verstärken.«

    Abb. 1: Die Grafik zeigt die Zusammenhänge zwischen Klimaschwankungen und historischen Epochen in den letzten 2500 Jahren. Die Daten lesen Wissenschaftler aus Wachstumsringen von Bäumen.
    Seit Langem streiten Experten über die künftigen Auswirkungen des Klimawandels: Führen die Veränderungen erneut in eine Katastrophe oder bringt eine weitere Erwärmung vor allem Gutes? »Kurzfristige Klimaveränderungen hatten oft gravierende Auswirkungen auf die Gesellschaft«, resümiert Ulf Büntgen. Die neuen Daten bieten Historikern noch reichlich Stoff, solche Zusammenhänge aufzuspüren.
    Auch im Nordmeer haben Wetterkapriolen immer wieder grausam Geschichte geschrieben; dort kommen Hurrikane aus heiterem Himmel. Die Schneestürme könnten das Verschwinden Hunderter Schiffe erklären. Im nächsten Kapitel erkunden Forscher, wie häufig die eisigen Wirbel sind, die mit 30 Grad unter null riesige Wellen und tosende Gewitter übers Meer peitschen.
    * Alle Temperaturangaben in Grad Celsius

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