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Nach zwei Tagen Regen folgt Montag

Nach zwei Tagen Regen folgt Montag

Titel: Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
Autoren: A Bojanowski
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Eis-Hurrikane im Nordmeer
    Eben noch schien die Sonne vom blauen Himmel, der Arktische Ozean glitzerte friedlich. Plötzlich zieht ein minus 30 Grad kalter Schneesturm auf, er lässt das Meer gefrieren, Eisschollen treiben umher. Die See türmt sich meterhoch, Gewitter donnern, Windhosen wirbeln. Froststurm und Blitzeis erschweren die Arbeit an Deck. So beschreiben Kapitäne das Aufziehen sogenannter Arktis-Hurrikane. Erst in den 1970er-Jahren gaben Satellitenbilder Aufschluss: Sie zeigten Wolkenwirbel mit einem »Auge« in der Mitte – Tiefdruckgebiete, die aussahen wie kleine Versionen tropischer Wirbelstürme.
    Die Arktis-Hurrikane gerieten in den Verdacht, für viele Schiffskatastrophen verantwortlich zu sein. Laut einer Studie aus den 1980er-Jahren sanken allein zwischen 1900 und 1985 56 Boote in arktischen Gewässern, 342 Seefahrer ertranken. Oft war nach dem Verschwinden der Schiffe nichts von Stürmen bekannt geworden. Dass aus heiterem Himmel Orkane übers Meer gefegt sein könnten, hörte sich wie Seemannsgarn an. Doch inzwischen führen Forscher Schiffskatastrophen im Nordmeer auf die mysteriösen Arktis-Hurrikane zurück: das Sinken von sieben Booten vor Ostgrönland binnen eines Tages im Jahr 1954 etwa oder das Verschwinden des Fischkutters Gaul mit 36 Mann Besatzung im Jahr 1974. Über Land erlahmen die Stürme meist. Im Februar 1969 jedoch zog ein eisiger Wirbel mit 218 Kilometern pro Stunde über Schottland, was der zweithöchsten Stärke von Hurrikanen in der Karibik entspricht. Im Januar 2003 legte ein heftiger Schneesturm in Großbritannien Flughäfen, U-Bahnen, Schulen, Straßenverkehr und die Stromversorgung lahm. Ab 54 Kilometer pro Stunde – das entspricht Windstärke 6 bis 7 – wird ein Sturm als Polartief oder Arktis-Hurrikan bezeichnet. Wirbelstürme in den Tropen gelten ab 119 Kilometer pro Stunde Windgeschwindigkeit als Hurrikan.
    Wie häufig Gefahr droht, ist nicht leicht zu ermitteln – die Polartiefs sind aus mehreren Gründen schwer zu entdecken, denn das abgelegene Nordmeer wird nur von wenigen Beobachtungssatelliten überflogen. Messungen von Schiffen oder Flugzeugen aus sind selten. Zudem sind die Wirbel relativ klein, meist haben sie einen Durchmesser von unter 300 Kilometern. So kenterten manche Schiffe im Schneesturm, während andere nichts von dem Unwetter mitbekamen. Die Polartiefs bestehen oft nur während eines halben Tages, etwa 15 Stunden lang. Sie entwickeln sich meist im Winter, wenn es im Nordmeer sehr dunkel ist.
    Inzwischen aber lassen sich die meisten Arktis-Hurrikane entdecken, sagt Matthias Zahn von der Universität in Reading, Großbritannien. Zusammen mit seinem Kollegen Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht hat er nachgezählt: 50 bis 60 arktische Hurrikane wirbeln pro Jahr über das Nordmeer, die meisten zwischen Oktober und April. Angefacht werden die Mini-Hurrikane meist von eisigen Fallwinden, die mit knapp minus 30 Grad von Grönland aus übers Meer in Richtung Süden fegen. Über dem Nordmeer, das vor Grönland eine Temperatur von etwa acht Grad hat, saugt sich die Luft mit Wärmeenergie voll. Der große Temperaturunterschied von beinahe 40 Grad sorgt für mächtigen Auftrieb: Die feuchte Meeresluft steigt hoch, und sobald sich Wolken bilden, setzt die Luft Energie frei, die den Aufstieg weiter ankurbelt. Gleichzeitig zwingt die Erddrehung die Wolken in eine Rotation. Die Effekte verstärken sich gegenseitig: Das Auge des Wirbels saugt immer mehr Luft an, und diese Luftmassen drehen sich immer schneller.
    Womöglich wird den polaren Hurrikanen künftig jedoch der Treibstoff fehlen, das meinen zumindest Zahn und von Storch. Mit Computermodellen, die auch Klimaprognosen für die Vereinten Nationen errechnen, haben die Forscher die Entwicklung über dem Nordmeer bis zum Jahr 2100 durchgespielt – aufgrund der Klimaerwärmung wird es demnach immer weniger Mini-Hurrikane geben. Gelangen weiterhin ungebremst Treibhausgase aus Autos, Wohnungen, Kraftwerken und Fabriken in die Luft, wird sich das Klima deutlich erwärmen. Die Luft gewinnt dabei schneller an Temperatur als das Meer. Der Temperaturunterschied zwischen den eisigen Grönland-Fallwinden und dem Ozean verringert sich dadurch um fast zwei Grad – und damit reduziert sich auch der Antrieb der Stürme. Anstatt an die 60 würden Ende des Jahrhunderts nur noch halb so viele Arktis-Hurrikane entstehen, so die Forscher. Einstweilen jedoch müsse im Winter weiterhin mit etwa zehn Polarwirbeln
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