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Nach dem Sturm

Nach dem Sturm

Titel: Nach dem Sturm
Autoren: Simon X. Rost
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mir auf, dass Waters seine linke Hand hinter dem Rücken hält. Sato geht vorsichtig ein paar Schritte auf den Soldaten zu, der jetzt teilnahmslos an den Fliesen lehnt. „Sauber abgetrennt. Wie ein Schnitt“, sagt Kellogg und auch ich trete näher, um einen Blick auf den Stumpf zu werfen. Ein Pflasterverband schließt den Arm am Handgelenk ab. „Stammt das von einem Tier? Oder ... einer Waffe?“, frage ich und Kellogg sieht mich traurig an. „Wie gesagt: wir wissen es nicht.“
    Ich nicke und Sato weicht ein Stück zurück. Es ist ihm anzusehen, dass er den Duschraum so schnell wie möglich verlassen will. Hier kann er nichts ausrichten, keine große Ansprache halten, hier ist niemand begeisterungsfähig. Aber er weiß, dass etwas gesagt werden muss, dass wir jetzt etwas von ihm erwarten. Sato starrt auf die Fliesen und reibt sich den Handrücken, als müsse er sich selber trösten. Dann schüttelt er den Kopf und seufzt. „Es hilft nichts“, sagt er. „Wir werden noch ein Team schicken müssen. Mehr Leute. Besser bewaffnet. Wir müssen wissen, was da vorgeht. Was mit den anderen passiert ist. Wir können nicht den Kopf in den Sand stecken und so tun, als wäre nichts geschehen. Die Bürger der Stadt erwarten Antworten von uns, und sie erwarten sie bald. Bis dahin darf keinerlei Information über diesen bedauernswerten Soldaten und das Schicksal seiner Truppe nach außen dringen, haben wir uns verstanden, John?“
    Kellogg nickt ergeben. „Ja, Sir. Ich kümmere mich darum.“
    Sato blickt fragend zu mir. Ich nicke, weil Sato das in dieser Situation einzig Richtige erkannt und ausgesprochen hat. Die beiden Männer wenden sich zur Tür und sie bleiben erst stehen, als sie feststellen, dass ich ihnen nicht gefolgt bin.
    Ich drehe den Duschhahn auf und warte kurz, bis das heiße Wasser den Urin und einen Teil der Exkremente weggespült hat. Dann gehe ich neben Waters in die Hocke. Meine Wunde am Rücken schmerzt. Der Gestank, den Waters verströmt, ist bestialisch. Ich kämpfe den Würgreiz nieder. Sein Blick irrt eingeschüchtert von mit zu den Fliesen und wieder zurück zu mir. Er kann mich nicht ansehen. So absurd der Vergleich auch wirkt, für einen kurzen Moment flackert das Bild von Emily vor mir auf, als ich die nackte, schutzlose Kreatur vor mir sehe.
    „Chad, oder? Du bist Chad, stimmt‘s?“
    Die Nennung seines Namens scheint irgendetwas in ihm auszulösen. Er fixiert mich wieder, dann wendet er den Blick ab, steckt den Daumen in den Mund und nuckelt daran, als würde er intensiv nachdenken.
    „Wer hat das getan, Chad?“ Ich deute auf seine Hand. „Hat das ein Mensch gemacht? Wer hat dich verletzt?“
    Chad blinzelt mehrmals heftig. Er schluckt und nuckelt weiter am Daumen.
    „Chad? Hörst du mich? Wer hat das getan? Was ist euch passiert, Chad?“
    Er nuckelt weiter, intensiver. Ich will ihm gerade die Hand auf die Schulter legen, um ihn zu beruhigen, da schlägt er sie beiseite und schreit mich an. „Sie kommen, Chester! Wir dürfen da nicht mehr raus, hörst du?“
    Ich zucke zusammen und mache einen Satz zurück. „Wer kommt, Chad? Die, die dich verletzt haben? Sind sie es, die kommen?“
    Chad schreit weiter, fuchtelnd deutet er in eine Ecke des Duschraums. „Da drüben! Siehst du sie? Sag den anderen bescheid, Chester! Wir müssen die Zugänge abriegeln und das MG auf die Nordseite bringen, hörst du?“
    Langsam nicke ich. „Ja, Chad. Ich sag‘s ihnen. Weißt du, wo Berry ist? Wo ist er hingegangen?“
    „Berry?“, fragt Chad zurück und eine tiefe Traurigkeit stiehlt sich in seine Miene.
    „Ja, Chad. Wo ist Berry?“ Ich nicke und rücke wieder ein Stück näher. Auch Sato und Kellogg kommen näher heran.
    Chad überlegt, er schluckt heftig, dann rinnt eine Träne seine Wange hinunter. „Wir dürfen nicht mehr raus, Chester. Du hast doch gesehen, was sie mit Barry gemacht haben! Wir dürfen nie mehr da raus, hörst du!“
    Er schüttelt den Kopf, und sieht mich fassungslos an.
    „Wer? Wer hat das getan, Chad? Was haben sie mit Berry gemacht?“
    Chad blinzelt. Dann spricht er so leise, dass ich ihn kaum verstehe. Es ist wenig mehr als ein heiseres Flüstern. „Wir müssen zurück, Chester. Wir dürfen nicht mehr nach Draußen . Nie mehr.“ Er sieht mich lange an, dann meint er beinahe zärtlich: „Pass auf dich auf, Chester. Sie kommen jetzt.“
    Und dann sagt Chad Waters nichts mehr. Er lehnt den Kopf zur Seite, und der Strahl der Dusche trifft ihn. Das Wasser muss kochend
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