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Nach dem Sturm

Nach dem Sturm

Titel: Nach dem Sturm
Autoren: Simon X. Rost
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... in der Dusche ... isoliert.“
    Sato schüttelt den Kopf. „Nur einer? Wir haben ein Team von zwölf Leuten nach Draußen gesandt, und sie schicken nur einen zurück, um Bericht zu erstatten? Ungewöhnlich, oder?“
    Kellogg blickt auf. Er sieht betreten aus. „Sie haben ihn nicht zurückgeschickt, wenn wir seine Worte richtig deuten. Sie ...“, er seufzt, „er ist der einzige, der überlebt hat, wenn wir ihn richtig verstanden haben.“
    Ich mische mich ein. „’Wenn wir ihn richtig verstanden haben?’ Was soll das, John? Kann er nicht reden? Und warum habt ihr ihn ‚isoliert’?“
    Kellogg sieht mich ärgerlich an, als sei es unfair, ihm diese Fragen zu stellen. Doch Sato nickt beipflichtend und Kellogg seufzt erneut. „Kommt mit. Zieht besser das hier auf.“ Kellogg deutet auf einen Stahltisch, der vor der Tür zu den Duschen steht. Mundschutz liegt darauf. Sato und ich wechseln einen ratlosen Blick. Bevor wir weitere Fragen stellen können, hat sich Kellogg selbst einen Mundschutz übergezogen und hält uns die Tür auf. Ich streife den Mundschutz über und folge ihm.

- 6 -

    Ein beißender Gestank schlägt uns entgegen. Der Gestank, den ich vorher beim Betreten der Umkleide wahrgenommen habe. Ich weiß jetzt, was es ist, weil ich es sehe: Urin und Kot. Auf dem Boden. An den gekachelten Wänden. Eine gekrümmte Gestalt kauert in einer Ecke des Duschraumes.
    Der Mann ist nackt. Er spielt mit seinen Fäkalien, schmiert sie in die Fugen.
    „Oh, mein Gott“, entfährt es mir und ich höre, wie Sato zischend Luft einzieht, weil auch ihn der Anblick verstört.
    Ein zottiger Bart und verfilzte Haare umrahmen ein ausgezehrtes, hageres Gesicht. Ich erkenne den Mann wieder. Er ist früh zu unserer Sache gestoßen, war Lagerist bei einer Großmetzgerei, bevor er Soldat wurde. Hatte eine Schwester, Peggy Waters, die für Hudson gearbeitet hat, und die sich uns als Spionin angedient hat. Ich weiß noch, wie er sie mir vorstellte. Die Geschwister hielten sich an den Händen, weil sie Angst hatten, ich könnte ablehnen oder sie gar einsperren lassen.
    Wie lange das alles her ist.
    Jetzt ist Chad Waters nur noch ein Schatten seinerselbst. Er kann eigentlich nicht älter als fünfzig sein, sieht jedoch aus wie ein Greis. Graue Fäden haben sich an seinen Schläfen eingenistet und seine Augen blicken gehetzt zu uns, als wir den Raum betreten. Dann wird sein Blick jedoch schlagartig abwesend, als sehe er durch uns hindurch, und er widmet sich wieder seinen Exkrementen. Sato hustet, hält sich den Handrücken vor die Nase, zu der trotz Mundschutz der Gestank durchdringt. Auch ich muss würgen.
    „Mein Gott!“, sage ich noch einmal und „warum haben Sie ihn hier ...“ Ich wedele unbestimmt mit der Hand auf das offensichtliche Elend des Soldaten und die verschmierten Kacheln. Kellogg nickt, als habe er die Frage erwartet.
    „Wir haben ihn an der Mauer gefunden. Er hatte einen Zusammenbruch. Wir brachten ihn ins Lazarett, fixierten ihn auf einer Krankenliege, aber er bekam Panikattacken, wand sich in Krämpfen und versuchte, seine Zunge zu verschlucken. Im letzten Moment konnten wir das Schlimmste verhindern. Er sprach nicht auf die Antidepressiva und die starken Betablocker an, die ihm die Ärzte verschrieben. Aber die Krämpfe verschwanden. Als wir ihn nicht mehr fixierten, zog er sich aus und fing an, seine Fäkalien an die Wände zu schmieren. Hier können wir wenigstens gut sauber machen. Ihn ... und die Wände.“
    Kellogg sagt diesen letzten Satz so lapidar, als könne man diesen banalen Fakt eben nicht schönreden. Und er hat recht. Hier kann man zumindest saubermachen.
    „Was hat er erzählt?“, frage ich Kellogg und der zuckt ergeben mit den Schultern.
    „Wirres Zeug. Wir werden nicht schlau daraus. Er wiederholt ständig den Namen seines Sergeants, Berry, und den eines anderen Privates namens Chester. ‚Chester! Sie kommen, Sie kommen’, sagt er immer wieder und ist ganz aufgeregt dabei. Er zeigt Angst, große Angst.“
    „Wer kommt? Vor wem hat er Angst?“, frage ich Kellogg und der schiebt die Unterlippe vor. „Keine Ahnung. Wenn wir sein zusammenhangloses Gefasel richtig deuten, ist der Trupp nicht weit gekommen. Sie sind dem Cale River und dem alten Highway nach Süden gefolgt und dann haben sie sich „verschanzt“, sagt Waters. Wir haben keine Ahnung, was dann passiert ist. Auch wie das mit seiner Hand passiert ist, konnten wir nicht herausfinden.“
    „Seine Hand?“ Erst jetzt fällt
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