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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett.
Autoren: Yukio Mishima
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ein anderer behauptete, die Galli-Curci hätte damals längst ihren Höhepunkt hinter sich gehabt, er habe die Dal Monte in der »Lucia« gehört, und sie sei viel besser gewesen.
       Da sagte Noguchi, der bis dahin geschwiegen hatte: »Hören wir doch auf, von vergangenen Tagen zu reden. Wir sind doch noch jung.«
       Die Worte machten Kazu tiefen Eindruck. Er hatte dabei gelächelt, aber de gebieterische Klang seiner Stimme brachte die anderen zum Schweigen.
       Sonst pfegte die Dame des Hauses eine peinliche Stille mit einem Scherz zu überbrücken, aber Noguchis Worte hatten geradewegs ins Schwarze getrofen und waren ihr so aus dem Herzen gesprochen, daß sie ihre Pfichten diesma vergaß. ›Dieser Herr versteht es, auszusprechen, was andere nicht zu sagen wagen‹, dachte sie.
       Noguchis Worte hatten den Glanz dieses Kreises zum Erlöschen gebracht – wie ein Feuer, auf das Wasser gegossen wurde. Die Asche der Vergangenheit schwelte nur noch schwarz und feucht. Einer der Herren hustete, und sein qualvolles Keuchen zerriß die eingetretene Stille. Die Augen der anderen verrieten, daß sie alle für einen Moment an die Zukunft, an den Tod, gedacht hatten.
       Plötzlich wurde der Garten von hellem Mondschein überfutet. Kazu versuchte die Aufmerksamkeit ihrer Gäste auf den späten Mondaufgang zu lenken. De Wein hatte bereits seine Wirkung getan, die alten Herren fürchteten sich nich vor der nächtlichen Kälte und wollten einen Rundgang durch den Garten machen den sie bei Helligkeit nicht mehr hatten besichtigen können. Kazu befahl ihren Mädchen, Papierlampions anzuzünden. Selbst der hustende alte Herr ging mit weil er Angst hatte, allein zu bleiben; er band sich aber vorsichtshalber eine weiße
    Gazemaske vor Mund und Nase.
       Der Gästepavillon hatte schlanke Holzpfosten, und die kleine Veranda zum Garten war von einem zierlichen Geländer umgeben, wie man es bei alten Tempeln fndet. Die Mädchen hoben die Lampions, um den Gästen zu leuchten, die auf dem Trittstein standen und nach den Gartensandalen tasteten. Denn der Mond war im Osten hinter dem Dach, und diese Seite des Hauses lag in tiefem Schatten.
       Endlich standen alle wohlbehalten auf dem weiten Rasen. Als Tamaki vorschlug, den kleinen Weg hinter dem Teich zu benutzen, bereute Kazu es, ihre Gäste auf den November-Mond aufmerksam gemacht zu haben; denn die fünf auf dem Rasen schienen ihr schattenhaft gebrechlich und unsicher.
       »Es ist gefährlich! Bitte, seien Sie vorsichtig!« Aber je ängstlicher Kazu sie warnte, desto trotziger strebten die Gäste dem schattigen Weg unter dem Laubdach des Hains zu. Es behagte ihnen nicht, wie alte Leute behandelt zu werden. Der Mond schien durch die Äste der Bäume und verzauberte alles. Als sie sich dem Teich näherten, in dem der Mond sich spiegelte, konnte keiner der Versuchung widerstehen, den Pfad unter den Bäumen auf der anderen Seite des Teiches entlangzugehen.
       Die Mädchen wußten, daß Kazu besorgt war, und bemühten sich eifrig um die Gäste. Sie leuchteten ihnen, wiesen auf gefährliche Steine und Baumstümpfe hin und machten auf schlüpfrige bemooste Stellen aufmerksam. »Wie kalt der Abend geworden ist«, bemerkte Kazu und verschränkte ihre Arme in den weiten Ärmeln über der Brust. »Und dabei war heute ein solch warmer Tag.« Noguchi ging neben ihr. Sie konnte seinen Atem sehen, der im Mondlicht wie ein Wölkchen aus seinem Munde stieg. Aber er schien nicht geneigt, etwas auf ihre Bemerkung zu erwidern.
       Kazu, die voranschritt, um ihnen den Weg zu zeigen, war zu schnell gegangen. Sie blieb stehen und sah die auf und ab tanzenden Lampions der Zurückgebliebenen unter den Bäumen am Teich, auf dessen Fläche sich Mond und Lampions reizvoll spiegelten. Mehr als die alten Herren wurde Kazu von diesem Anblick in kindliche Erregung versetzt.
       »Ist das nicht entzückend? Sehen Sie doch nur den Teich an, den Teich!« rief sie ihnen mit lauter Stimme über das Wasser zu. Um Noguchis Lippen spielte ein Lächeln. »Was für eine wunderbar volle Stimme Sie haben! Wie ein junges Mädchen«, sagte er.
       Der Spaziergang verlief ohne Zwischenfall, und alle hatten sich bereits wieder im Studienzimmer eingefunden, als sich das Unglück ereignete.
       Kazu hatte dafür gesorgt, daß der Gasofen brannte, und die alten Herren, die fröstelnd aus der kühlen Nachtluft hereinkamen, ließen sich um das Feuer nieder – jeder in der Stellung, die ihm am
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