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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett.
Autoren: Yukio Mishima
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schließlich vollkommen erschöpft war.
       Man hatte den Kranken in ein Achtmatten-Zimmer getragen, das selten benutzt wurde. Doch Noguchi, Frau Tamaki, der Doktor, die Krankenschweste und Kazu standen um ihn herum, so daß das Zimmer ein Bild allgemeine Verwirrung bot. Noguchi machte Kazu ein Zeichen und verließ den Raum Kazu folgte ihm auf den Gang, wo er mit raschen Schritten vor ihr herging Seine Haltung war so selbstbewußt, daß Kazu das Empfnden hatte, als sei dies Noguchis Haus und sie der Gast.
       Noguchi eilte durch einen Gang, der wie eine Brücke gewölbt war, bog dann nach links ab und gelangte zu einem Gärtchen, in dem winzige weiße Chrysanthemen wuchsen. Im vorderen Teil des Gartens gab es keine Blumen aber hier blühten die verschiedensten Sorten.
       Die beiden kleinen, nebeneinanderliegenden Zimmer, die auf diesen Garten hinausgingen, waren Kazus Privaträume. Kazu liebte diese kleine Wildnis. Wenn sie ihre Arbeit beendet hatte, zog sie sich allein hierher zurück. Hier waren die Blumen und Gräser nicht streng nach den Regeln der japanischen Gartenkuns angepfanzt, und auch die Gartensteine und Steinbassins befanden sich nich an den dafür vorgeschriebenen Stellen – dies war ein Garten, wie man ihn vo kleinen Mietshäuschen in der Sommerfrische fndet, in dem die Blumenbeete mi Muschelschalen eingefaßt sind. Einige der weißen Chrysanthemen waren hoch aufgeschossen, andere wuchsen klein und spärlich. Am Anfang des Herbstes wa das »Schmuckkörbchen« ein wirres Blütenmeer gewesen.
       Die beiden Räume dahinter lagen im Dunkeln, und Kazu vermied es, Noguch zum Eintreten aufzufordern. Sie sagte auch nicht, daß dies ihre Privaträume seien; denn es widerstrebte ihr, Vertrautheit aufkommen zu lassen. Sie bo Noguchi einen Stuhl auf der Veranda neben der Glastür an. Von dort konnte man auf den Garten schauen.
    Noguchi nahm Platz und begann sogleich zu sprechen. »Ich fnde, Sie sind
    recht eigensinnig. Denn Ihre Gefälligkeit hört auf, eine Gefälligkeit zu sein, wenn Sie so darauf beharren.«
       »Aber wenn ein Gast – auch wenn er das erste Mal hier ist – bei uns erkrankt, muß ich mich doch um ihn kümmern.«
       »So sehen Sie es, und diese Meinung wollen Sie unbedingt anderen aufdrängen. Aber Sie sind doch kein Kind mehr. Sie müssen doch verstehen, was Frau Tamaki mit ihrer Zurückhaltung sagen will.«
       »Ja, natürlich«, lächelte Kazu. In ihren Augenwinkeln erschienen kleine Fältchen.
       »Wenn Sie es also verstehen, dann muß ich Ihnen leider sagen, daß Sie genauso starrköpfg sind wie Frau Tamaki.«
       Kazu gab keine Antwort.
       »Sie gehört zu jenen Frauen, die sich Zeit nehmen, um sorgfältig zurechtgemacht zu erscheinen – selbst wenn sie wissen, daß ihr Mann bewußtlos ist.«
       »Als Gattin eines Botschafters ist das doch selbstverständlich.«
       »Das ist nicht gesagt . . .« Noguchi brach ab und schwieg. Kazu empfand das Schweigen als sehr angenehm.
       Die Musik und der Gesang aus dem großen Saal klangen nur gedämpft zu ihnen herüber. Kazu fühlte sich wie erlöst von den Sorgen und Aufregungen, die dieser Vorfall verursacht hatte. Auch Noguchi lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück und nahm eine Zigarette. Kazu stand auf und reichte ihm Feuer.
       »Oh, danke sehr« sagte Noguchi nüchtern.
       Doch Kazu spürte, daß diese Worte nicht den höfichen, konventionellen Ton hatten, den ein Gast gewöhnlich einer aufmerksamen Wirtin gegenüber anschlägt. Sie spürte es und war glücklich. Und sie war auch viel zu sehr Frau, um dies unausgesprochen zu lassen.
       »Ich schäme mich, wenn ich an Herrn Tamaki denke: aber ich fühle mich plötzlich leicht und glücklich. Ob der Wein erst jetzt seine Wirkung tut?«
       »Schon möglich«, meinte Noguchi gleichgültig. »Ich habe gerade über die Eitelkeit der Frauen nachgedacht. Mit Ihnen darf ich wohl ofen sprechen . . . ich glaube nämlich, Frau Tamaki wünscht nicht, daß ihr Gatte im Zimmer eines Gasthauses stirbt, wenn er schon sterben muß, dann in einem ordentlichen Krankenhausbett. Selbst wenn sein Ende dadurch beschleunigt wird. Mir ist das Leben eines alten Freundes natürlich sehr teuer, und mir würde sehr viel daran liegen, daß er hier bleibt, bis er außer Gefahr ist. Aber vor der Eitelkeit einer Ehefrau bin ich machtlos; und wenn ich auch sein Freund bin, so kann ich meine Freundschaft noch lange nicht seiner Frau aufzwingen.«
       »Das
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